© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/16 / 01. Juli 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Grillen für den Frieden
Paul Rosen

Jedes Ding hat Licht und Schatten. So muß es Angela Merkel vorgekommen sein, als am vergangenen Freitag die Brexit-Entscheidung der britischen Bürger bekannt wurde. Was die Kanzlerin als indirektes Votum auch gegen ihre Europa-Politik geschmerzt haben dürfte, war ihr andererseits nicht unwillkommen: Der seit Monaten hartnäckig schwelende Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU konnte in einem Tagungszentrum auf einer Halbinsel in der Nähe von Potsdam relativ unauffällig beigelegt werden – vorerst jedenfalls.  

So war vom CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der vor einiger Zeit, an die Adresse von Merkel gerichtet, von einer „Herrschaft des Unrechts“ gesprochen und eine Klage gegen die Bundesregierung hatte vorbereiten lassen, jetzt zu hören: „Es gehört auch zum Format und zum Stil von Politikern, daß sie solche Dinge überwinden.“ Notwendig waren die Attacken aus Bayern aber auch. Noch mal Seehofer: „Der Streit war notwendig, denn in der Zeit hat ja etwas stattgefunden.“ 

Gemeint sind wohl die gesunkenen Flüchtlingszahlen. „Das ist jetzt gerade ein überschaubarer Zuwandererstrom“, entfährt es Seehofer. Man lernt, daß aus Sicht des CSU-Chefs ein Problem nur dann ein Problem ist, wenn es an den bayerischen Grenzen sichtbar wird. Das ist Kirchturmpolitik, wie sie schöner nicht sein kann. 

Von Merkel waren ihre üblichen Worthülsen zu vernehmen: „Intensiv, konstruktiv und immer getragen von dem Willen, daß wir Lösungen entwickeln“, sei der Unionsgipfel gewesen. Da müssen die Redenschreiber von Merkel aufpassen, daß der Satz nicht wieder in der Regierungserklärung über den EU-Gipfel in der nächsten Woche auftaucht. Journalisten durften in der stickigen Luft der Halle, in der die Pressekonferenz stattfand, nur je drei Fragen an die Unionsvorsitzenden stellen, angeblich weil allen so heiß war. In Wirklichkeit konnten damit kritische Nachfragen, die sich im Verlauf einer Pressekonferenz immer ergeben, vermieden werden. 

Unter den zwölf CSU-Delegierten machte sich das Fehlen des merkel-kritischen bayerischen Finanzministers Markus Söder bemerkbar, auf dessen Anwesenheit weder Merkel noch Seehofer Wert legten. Andere CSU-Granden der zweiten Reihe wie Gerda Hasselfeldt oder der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, stehen Merkel näher als Seehofer und der großen Mehrheit der eigenen Partei. Daher dürfte Seehofers Bemerkung, der Grillabend am vergangenen Freitag sei „das Sahnehäubchen“ der Veranstaltung gewesen, nicht einmal falsch gewesen sein. Den ganz großen Kotau wollte der oft als „Drehhofer“ bespöttelte Seehofer doch nicht vollziehen. Auf Merkels Kanzlerkandidatur festlegen wollte er sich nicht. Da dreht sich der CSU-Chef lieber noch eine Weile hin und her. 

Was sonst in Potsdam geschah: Man vereinbarte, mehrere Kongresse abzuhalten. Dort werden dann hauptamtliche Claqueure die Redner beklatschen. Hoffentlich sind die Tagungsräume wenigstens klimatisiert.