© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

Grüße aus Prag
Was für Aussichten
Mária Pešeková

Während des Urlaubs in Südböhmen frage ich mit meinem Mann einen ortskundigen Wirt am Lipno-Stausee nach dem Weg zum Baumwipfelpfad, einer beliebten Touristenattraktion, die vor vier Jahren eröffnet wurde. Statt den Weg zu erfahren, gibt er uns einen Rat, lieber zur Burg Wittinghausen („Vítkuv hrádek“) zu fahren: „Da muß man nicht so tief in die Tasche greifen, und die Aussicht ist viel schöner als vom Baumwipfelpfad.“ 

Von Wittinghausen höre ich zum ersten Mal. Doch die Neugierde ist geweckt. Es ist zwar schon nach 18 Uhr, aber zumindest von außen wollen wir die Burgruine noch besichtigen. Zu dieser am höchsten gelegenen Burg Böhmens (1.035 Meter) kommen wir über einen winkligen Weg, der bis zum Dorf St. Thomas führt.

Der Ort war bis zum Zweiten Weltkrieg fast nur von Sudetendeutschen bewohnt, heute findet man kaum Spuren von ihnen. Von St. Thomas erreichen wir nach etwa einen halben Kilometer zu Fuß mit leichtem Anstieg unser Ziel. Die Reste der Burgmauer umarmen den 14 Meter breiten und 17,50 Meter großen Burgturm wie eine schützende Hand. 

Die strategische Lage der Burg war vor allem auch für die Kommunisten wichtig.

Eine Gesellschaft von etwa  zehn Männern amüsiert sich gut am Hofplatz bei Bier, Wurst und tschechischer Country-Musik. „Heute gelten spezielle Öffnungszeiten, wir warten hier bis auf den Vollmond und werden die ganze Nacht feiern“, erklärt ein Mann im mittelalterlichen Kostüm. Wie ich gleich erfahre, handelt es sich bei der Gesellschaft um Mitglieder des Vereins zur Rettung der Burg, die Wittinghausen vor mehr als zehn Jahren sanierten. 

Die Burg wurde im 13. Jahrhundert von Witiko von Krumau erbaut. Die strategische Lage war nicht nur für die Burgherren wichtig, sondern auch für die Kommunisten. Zur Zeit des Kalten Krieges diente der Burgturm als Militär-Radarstation. Wittinghausen verfiel.

 2005, zum 200. Todestag Adalbert Stifters, der vom Zauber dieses Ortes bei seinen Erzählungen „Hochwald“ und „Witiko“ inspiriert wurde, gelang es, die Burg wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Eintritt kostet umgerechnet etwa 2,50 Euro. Doch die Aussicht läßt sich nicht bezahlen. Wir sehen nördlich die Hügel des Böhmerwaldes, nordöstlich den Lipno-See und im Süden die österreichischen Alpen, bis zum Dachstein hin, und im Südwesten ist sogar der Watzmann im Berchtesgadener Land zu erkennen.