© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/16 / 08. Juli 2016

Blick in die Medien
Der „Spiegel“ an der Wand
Tobias Dahlbrügge

Seit die verkaufte Auflage des Spiegel 2010 unter die Millionengrenze rutschte und seitdem ihren Sinkflug fortsetzt, herrscht im Verlag dicke Luft. In einer schonungslosen Wutrede rechnete Susanne Amann nun mit der Politik der Chefredaktion ab. Die stellvertretende Ressortleiterin Wirtschaft ist neue Sprecherin der Mitarbeiter-KG. Die Beteiligungsgesellschaft hält 50,5 Prozent der Verlagsanteile, ihr gehören aktuell etwa 750 Mitarbeiter an.

Die 40jährige hat vor den stillen Gesellschaftern richtig Dampf abgelassen. Grund hatte sie: Im ersten Quartal 2016 ist die verkaufte Auflage wieder auf einen Negativrekord von unter 800.000 gefallen, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein sattes Minus von über zehn Prozent. Und das, obwohl an Nachrichtenthemen gewiß kein Mangel herrschte.

Die Antwort, warum viele Leser sich vom „Spiegel“ abwenden, gibt Amann sich selbst.

Die Geschäftsführung sei zu langsam, drücke sich vor Entscheidungen und blockiere nötige Entwicklungen, sagte Amann. Der Spiegel „tickt noch wie vor zehn, zwanzig oder gar dreißig Jahren“, haute sie den Verlegern um die Ohren. „Alles andere als zufrieden“ wären die Mitarbeiter mit Tempo und Inhalten der Chefetage, auch fehle eine klare Strategie. Man habe „viele Jahre verschenkt“ und sich geweigert, Marktveränderungen wahrzunehmen. 

Das zeige sich auch am Stand der Technik, „die vorsichtig ausgedrückt von vorgestern ist“. Die Geschäftsführung müsse „auf vielen Baustellen gleichzeitig agieren“, lasse aber die Initiative vermissen. „Mindestens im Wochenrhythmus“ suche die KG das Gespräch mit der Geschäftsleitung, um Rettungsmaßnahmen zu beschleunigen. Das sei „anstrengend“ und bisher fruchtlos. Die Zahlen bestätigen Amann: Rückgang des Anzeigengeschäftes um zehn Prozent. Amanns Fazit: „Das macht keine gute Laune.“ 

Man müsse sich nun endlich fragen, „warum uns so viele Leser verlassen haben“. Vielleicht kommen sie ja noch drauf …