© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/16 / 15. Juli 2016

Motor der Liberalisierung: Eine Tagung zur Geschichte des BVerfG
Stets opportunistisch
(wm)

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe sich vielfach als „Motor der Liberalisierung der westdeutschen Gesellschaft“ erwiesen. Zentrale Entscheidungen der Karlsruher Richter leiteten wichtige gesellschaftliche Veränderungen in die Wege, insbesondere auf den Feldern Meinungs- und Pressefreiheit, der Gleichberechtigung der Geschlechter oder der Versammlungsfreiheit. Zu diesem überraschungsfreien Resultat kam eine im April 2016 am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung veranstaltete Tagung über das BVerfG und die „Geschichte der Karlsruher Republik“. Kontroverse Bewertungen ergaben sich lediglich aus der Frage, ob das Gericht bei der „Liberalisierung“ weniger Motor, als vielmehr „Mitläufer“ gewesen sei. Denn die Richter hätten eigentlich gesellschaftliche Prozesse nie aktiv gestaltet, sondern sich stets opportunistisch „entsprechend der politisch-sozialen Lage ausgerichtet“, und gerade deshalb seien sie auf so große Akzeptanz gestoßen (WZB Mitteilungen, 152/2016). Darum provozierten auch nur wenige Entscheidungen den „offenen Widerstand einzelner gesellschaftlicher Gruppen“. Zu ihnen gehöre das „Kruzifix-Urteil“ von 1995. Dieses zeigte für die christlichen Kirchen – mit ihrer heute nur noch schwachen Gestaltungskraft –, verfassungsimmanente Grenzen der Religionsfreiheit auf. 

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