© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/16 / 22. Juli 2016

Lesereinspruch

Andere Umstände

Zu: „Freue mich, daß Ihre Eltern Sie nicht abgetrieben haben“ von Hinrich Rohbohm (JF 28/16)

Es gibt heute immer mehr in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeitende oder in bröckelnden Beziehungen lebende Frauen. Solchen Frauen zu unterstellen, daß sie sich bedenkenlos zu einer Abtreibung entschlossen haben, ist eine Mischung aus Selbstüberhebung über die Mitmenschen und Heuchelei von Leuten, die sich entweder nicht in die Notlagen von anderen einfühlen wollen oder schlicht das Gefühl brauchen, besser zu sein als ihre „sündigen“ Mitmenschen. 

Es gibt heute wahrlich genug unter sehr ungünstigen Umständen aufwachsende Kinder. Es ist nach meiner Meinung unverantwortlich, Frauen zu zwingen, von ihnen nicht gewünschte Kinder in die Welt zu setzen. Es ist kein Zufall, daß – laut Statistischem Bundesamt – jedes Jahr rund 60.000 Kinder und Jugendliche nach einer mehr oder weniger langen Leidenszeit aus ihren Familien genommen werden, von denen mehr als die Hälfte nicht mehr in ihre Familien zurückkehrt. Diese Zahl von 60.000 Kindern entspricht immerhin acht Prozent eines jeden Geburtsjahrgangs.

Klaus Morgensterin, Stuttgart