© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Aneeqa Maria Anthony. Die mutige Anwältin droht Opfer radikaler Moslems zu werden.
Allein gegen alle
Marc Zöllner

Aneeqa Maria Anthony hat Angst. Todesangst. Immer wieder geriet die engagierte Rechtsanwältin mit ihrer Arbeit ins Kreuzfeuer von Islamisten. Drei Attentate hat die 35jährige aus dem pakistanischen Lahore nur knapp überstanden. Doch seit sie von einer Fatwa bedroht wird, hilft ihr nichts als unterzutauchen.

„Aneeqa Maria hilft den Feinden des Islam und unterstützt Gotteslästerer!“, verkündete der Mufti der Universität al-Ashrafiya in Lahore auf einem Flugblatt, welches rasante Verbreitung im pakistanischen Punjab findet. „Darum ist sie des Todes würdig. Wir erlassen eine Fatwa gegen sie und alle ihre Unterstützer. Sie sollen getötet werden.“

Was Aneeqa zum Verhängnis wurde, ist ihr Einsatz als Strafverteidigerin. Immer wieder übernahm sie, die mit ihrem Mann nebenher die Menschenrechtsorganisation „The Voice Society“ leitet, Aufträge von Mandanten, die beschuldigt werden, blasphemisch gegen den Islam gewesen zu sein. Ein Vergehen, für das das pakistanische Strafgesetzbuch drakonische Strafen vorsieht: Auf die mutwillige Beschädigung einer Ausgabe des Korans steht bereits lebenslange Haft. Bei Beleidigung des Propheten droht gar der Tod durch den Strang. Die christliche Minderheit Pakistans ist von solchen Anklagen überproportional betroffen: Unter den rund tausend seit 1986 Verurteilten finden sich nicht weniger als 119 christliche Pakistaner. Dabei stellen Christen gerade einmal anderthalb Prozent der Bevölkerung des Landes.

Politiker und Anwälte, die sich für die Menschenrechte der Christen einsetzen, leben in ständiger Bedrohung. Etwa im Fall der Katholikin Asia Bibi, deren Verurteilung zum Tode 2010 für internationales Aufsehen sorgte. Als sich der punjabische Gouverneur Salman Taseer, ein Moslem, für die Freilassung der Inhaftierten einsetzte, wurde er von seinem eigenen Leibwächter erschossen – der Täter von vielen Moslems als Held gefeiert. Nur zwei Monate später töteten Anhänger der pakistanischen Taliban Shahbaz Bhatti, den ersten christlichen Minister Pakistans.

Aneeqa Anthony wurde ihr letzter großer Fall zum Verhängnis. 2014 hatten rund 1.200 Anhänger eines radikalislamischen Predigers im Punjab die Hütte von Shehzad und Shama Masih, eines jungen christlichen Ehepaars, dem Kleriker vorwarfen, Koranseiten in den Müll geworfen zu haben, umzingelt. Sheh-zad und seine schwangere Frau, Mutter von drei Kindern, wurden aus dem Haus gezerrt, mit Baumwolle umwickelt und im Ofen einer Ziegelfabrik bei lebendigem Leib verbrannt.

Die Anklage gegen Hunderte Beteiligte dieser Greueltat führte Anthony – bis sie untertauchen mußte. Nun versucht die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) Anthony vor den gleichen Kräften zu retten, die auch hinter der Ermordung der Masihs stehen.