© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Fünfte Kolonne gründet Partei
Türken in Deutschland: Mit der „Allianz Deutscher Demokraten“ wollen Erdogan-Anhänger Grünen und SPD türkischstämmige Wähler abjagen
Fabian Schmidt-Ahmad

Auf der Webseite von Remzi Aru bekommen Anhänger von Recep Tayyip Erdogan die volle Dosis Propaganda. Gegner des türkischen Staatspräsidenten werden persönlich angegriffen und diffamiert. Besonders Grünen-Chef Cem Özdemir steht im Visier des türkischstämmigen Unternehmers. Im Impressum der Webseite steht eine Adresse in den USA. Dabei hat Aru nicht viel zu verstecken. Erdogan hält er für einen Heiligen, wer ihn kritisiert bekommt die Wut Arus zu spüren. Vor wenigen Wochen gründete er deswegen die Einwandererpartei Allianz Deutscher Demokraten (ADD). Der Neupolitiker hat genau registriert, daß die Türken in Deutschland politisch zunehmend heimatlos sind. 

Zu heftig war die Kritik von SPD und Grünen, die bisher am meisten von türkischstämmigen Wählern profitierten, am Regime in Ankara. Und die Linkspartei steht traditionell den Kurden nahe. Das Wählerpotential für seine ADD ist seit dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei noch gewachsen. Rund drei Millionen Türken und deren Nachkommen leben in Deutschland, etwa die Hälfte von ihnen besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Eine große Mehrheit steht der türkischen Regierungspartei AKP nahe, wie die Parlamentswahl im November 2015 zeigte. Während in der Heimat 49,5 Prozent der AKP ihre Stimme gaben, wählten aus Deutschland ganze 59,7 Prozent die streng islamische Partei. 

Offizieller Anlaß war Arus Empörung über den satirischen Umgang mit Erdogan hierzulande sowie die vom Bundestag verabschiedete Armenien-Resolution, die den türkischen Völkermord an den Armeniern als Genozid klassifiziert. Durch letztere sei „keine deutsche Partei mehr für einen Menschen mit türkischen Wurzeln wählbar“, kritisierte Aru in einer Stellungnahme. „Türken werden systematisch als Sündenböcke aufgebaut – einhergehend mit einer perfiden Entmenschlichung“, tönte er. 

Einem breiteren Publikum ist der IT-Unternehmer bisher durch Fernsehauftritte wie bei Sandra Maischberger bekannt, wo er die AKP-Regierung in höchsten Tönen lobt und ihre Beteiligung am Syrienkrieg bagatellisiert. Schrill, laut, unsachlich – wie sein Vorbild Erdogan liebt Aru die Opferpose, von der aus politische Gegner mit Invektiven überhäuft werden. Überhaupt wittert er die deutsche Presselandschaft von Sympathisanten der kurdischen PKK durchsetzt. Im Gegensatz zu den polemischen Auftritten des Parteigründers gibt sich der Entwurf des Parteiprogramms staatstragend. „Die ADD will ein Deutschland freier Menschen, freier Märkte und freier Entfaltung der individuellen Potentiale.“ Sie stehe „für ein selbstbewußtes und traditionsbewußtes, aber auch weltoffenes, multireligiöses und multinationales Deutschland, das einen guten Patriotismus und Sozialstolz pflegt“. Jeder müsse sich „mit Deutschland, seiner Sprache und auch seiner Geschichte beschäftigen“. 

Die Partei schielt auch auf die Konservativen. So fordert die ADD eine Abschaffung der Schulpflicht zugunsten einer „Bildungspflicht“: „Frühe Sexualisierung und schamverletzende Sexualerziehung in Kindergärten und Schulen sind nicht richtig.“ Der Teufel steckt freilich im Detail. Die ADD möchte beispielsweise „das kulturelle Erbe Deutschlands“ durch eine „qualitative Kulturförderung“ bewahren, „wobei auch hier alle Menschen, egal welcher Kultur, Ethnie, Religion oder Abstammung aus diesem Topf gefördert werden“. Über diesen offenen Widerspruch schweigt sich das Programm aus. An anderer Stelle wird deutlich, wem diese Partei eigentlich dient: „Die ADD ist für eine Vollmitgliedschaft der Türkei innerhalb der EU. Reisefreiheit ist ein hohes Gut. Die ADD setzt sich daher für eine sofortige Aufhebung der Visapflicht für Türken aus der Türkei in die EU ein.“ 

Gleich im nächsten Punkt fordert die ADD „ein kommunales Wahlrecht für alle ausländischen Staatsbürger und staatenlose Menschen“, die sich „seit mindestens drei Monaten rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten“. Es ist unverhohlene Siedlungs- und Kolonialpolitik. Nicht grundlos dürfte Aru die Vorstellung der Partei mit anschließender Pressekonferenz auf 14.53 Uhr gelegt haben. Im Jahr 1453 eroberten die Osmanen Konstantinopel.