© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Grüße aus Moskau
Wirtschaft ankurbeln
Thomas Fasbender

Die Vorstellung, daß öffentliche Bauvorhaben ohne lange zu fackeln und überhaupt im Zeitplan realisiert werden, hat in Deutschland inzwischen etwas Exotisches. Auch, daß gemeinschaftliche Anstrengungen einmal ruck, zuck umgesetzt werden. Eigentlich gehört beides ins Reich der Phantasie.

In Rußland schreitet das Bauwesen ungeachtet der Krise munter voran. Öffentliche Investitionen sind auch ein Mittel der Politik, das Wirtschaftswachstum zu befördern. In Moskau wird die achtspurige Twerskaja Uliza renoviert, die Twerer Straße, eine der Magistralen, die aus Richtung Norden direkt zum Kreml führt. Zuerst wurden die Bürgersteige zu beiden Seiten auf bis zu 20 Meter verbreitert und mit Gehwegplatten belegt, ein Markenzeichen des Bürgermeisters Sergej Sobjanin.

Die Fahrstreifen schrumpfen auf die europäische Breite von 3,50 Metern. Beiderseits werden Linden gepflanzt wie schon 1947, als die Straße mittels deutscher Kriegsgefangener zum Vorzeigeboulevard des Sozialismus ausgebaut wurde.

Ein Teilstück der Twerer Straße erhielt einen neuen Belag – in einem Rutsch.

Am Wochenende dann die  Krönung: Das mit Abstand breiteste und rund eineinhalb Kilometer lange Teilstück der Twerer Straße, das vom Manegeplatz vor dem Kreml bis zum Denkmal Alexander Puschkins führt, erhielt einen neuen Belag. In einem Rutsch – nicht wie üblich erst auf der einen, dann auf der anderen Seite – mit der Folge wochenlanger Fahrbahnverengungen und der Lahmlegung des Innenstadtverkehrs. Stattdessen Totalsperre von Sonntag früh um sechs bis Mitternacht.

250 Asphaltfertiger und Walzenzüge kamen zum Einsatz; es galt, 8.000 Tonnen Asphaltbeton über 49.000 Quadratmeter zu verteilen. Der Aufmarsch erinnerte an die alljährlichen Vorbereitungen der Siegesparade im Mai. Außer daß die Straßenbaumaschinen anders als die Kampfpanzer, Artilleriegeschütze und Interkontinentalraketen in Gelb und Rot auffuhren. 

Wenn in der Riesenstadt mit ihren 12 Millionen Einwohnern eine der allerwichtigsten Verkehrsadern blockiert ist, droht ihr auch an Sonntagen der Infarkt. Doch Moskauer sind Härten gewohnt. Außerdem ist der Verkehr im Hochsommer schwächer als zu irgendeiner anderen Zeit, erst recht an Sonn- und Feiertagen, wenn die ganze Stadt auf der Datscha grillt und gärtnert. Die Autofahrer bewegte vor allem, ob die sechs Zentimeter dicke Asphaltschicht bis Mitternacht wohl ausgehärtet sein würde. Offensichtlich hatten sie Sorge, am Montag morgen mit den Rädern darin zu versinken.