© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Dorn im Auge
Christian Dorn

Die Freiheit Berlins ist am Ende auch nur eine Show-Nummer. Dies bewies jüngst der Admiralspalast. Dort begrüßte – noch vor dem Orlando-Attentat – Michelle Visage, Sängerin und Moderatorin der US-amerikanischen Reality-Show „RuPaul’s Drag Race“, die Besucher mit der legendären, John F. Kennedy entlehnten Botschaft: „Isch bin eine Schlampe!“ Das vornehmlich schwule und queere Publikum kreischt obdessen begeistert, und in der Tat erscheint diese schrille Selbstinszenierung als eine faszinierende Demonstration persönlicher Freiheit, die – so fürchte ich – zugleich eines geschützten Raumes bedarf, der nicht naturgegeben ist.


Auf dem schwul-lesbischen Stadtfest am Nollendorfplatz, dem größten seiner Art in Europa mit über 350.000 Besuchern, hat die AfD naturgemäß einen schweren Stand, das heißt: Sie hat gar keinen mehr, seit sie vom Veranstalter ausgeschlossen wurde. Eine Dragqueen brüstet sich diesmal damit, die AfD-Politikerin Beatrix von Storch vom Stadtfest vertrieben zu haben. Ein Demonstrant läuft durch das freundliche Gewimmel, hoch über den Köpfen sein Schild mit der Anklage: „Ihr seid gegen Diskriminierung. Dabei seid ihr selbst nicht besser. Was ist schlimmer?“ Augenscheinlich bleibt er unbehelligt.


Vom Stand der US-Demokraten kommt ein schwarzes schwules Paar, beide mit dem identischen T-Shirt-Slogan „Make America gay again“ von der Kampagne „Love trumps hate“, die das Gesicht von Donald Trump in eine ebenso respektable wie böse Drag-Queen-Darstellung verwandelt hat. Paritätisch „besetzt“ dagegen ist Israel. Während ein Stand für Israel als Heimstatt queerer Lebensentwürfe wirbt, attackiert das Bündnis „Berlin against Pinkwashing“ allen Ernstes den jüdischen Staat, da dieser durch seine Luftangriffe im „Freiluftgefängnis“ Gaza „Lesben, Schwule, Trans*Menschen und Queers“ getötet habe – dabei demonstriert gerade diese absurde Argumentation eine nicht mehr zu überbietende Form des „Pinkwashing“.


Auf dem CSD in Berlin wirbt derweil ein Banner mit dem Motto „Love is the new Hate“. Am Ende der Demo dreht ein Vater das auf der Straße des 17. Juni liegende Regenbogen-Schild mit dem Aufruf „Refugees welcome“ entschlossen um, so daß nur noch die braune Papprückseite zu sehen ist. Er erklärt auf Nachfrage, daß gerade sein Sohn – als er Zivilcourage zeigte – von den ach so jungen und unbegleiteten „Geflüchteten“ zusammengeschlagen wurde und in der Klinik liegt.