© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Maler entdecken die Fotografie
Ausstellung: Die Wiener Galerie Belvedere widmet sich einem Mitte des 19. Jahrhunderts neuen Medium
Claus-M. Wolfschlag

Ob die Schau „Inspiration Fotografie“ wirklich an ein Tabu rührt, wie das Wiener Museum Belvedere verlautbart, darf dahingestellt bleiben. Gleichwohl ist die aktuelle Ausstellung dahingehend interessant, daß sie die technische Revolution in der Kunst des 19. Jahrhunderts zum Thema hat.

Die Erfindung der Fotografie im Jahr 1839 führte zu vielfältigen Reaktionen. Der Begeisterung für die neue Technik standen durchaus auch Vorbehalte gegenüber. Nicht grundlos befürchteten klassische Porträtmaler deutliche Umsatzeinbußen. Andere Künstler nutzten die neue Technik statt dessen nun zur Verbreitung von Reproduktionen eigener Arbeiten, vor allem aber zur Erzeugung praktischer Vorlagen für die Erschaffung ihrer Werke. Beschäftigten manche Künstler Berufsfotografen, die damit eine Marktnische ausfüllten, so wurden viele Maler nun auch selbst zu Fotografen, wenngleich sie in der neuen Arbeitshilfe noch keine eigenständige künstlerische Ausdrucksform erkannten.

Ob in der Natur, im Atelier oder Kunstunterricht – immer mehr wurde fotografiert, und das durchaus lustvoll und fern der Konventionen. Zu den Künstlern, die früh für sich die Fotografie entdeckten, gehörten unter anderem Gustav Klimt, Friedrich von  Amerling, August von Pettenkofen, Emil Jakob Schindler, Hans Makart. Viel wurde auch mit ungewöhnlichen Perspektiven experimentiert. Dieser spielerische Umgang mit dem neuen Medium sei, so der Ausstellungstext, erst um 1900 verlorengegangen, als die Wiener Secession die Fotografie als ernsthafte eigenständige Kunstform entdeckte und zu etablieren trachtete.

Dabei zog sich der Gebrauch der Fotografie durch sämtliche Stil- und Themenrichtungen der Malerei. Sie wurde von Impressionisten wie Symbolisten, für Orientbilder, Porträts oder Genreszenen genutzt. Fanden in der Frühphase vereinzelt bereits die kleinen Daguerreotypien Verwendung, so führte erst das sich in den 1850er Jahren durchsetzende Papierbild zur Ausweitung der Anwendungsmöglichkeiten. 

Neben rund 250 Fotografien von der Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt die Wiener Schau zahlreiche damit im Zusammenhang stehende Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken. Verzaubernd dabei ein Gemälde des aus Dresden stammenden Orientalisten Leopold Carl Müller. Während einer Kairo-Reise 1875/76 zusammen mit Hans Makart sei „die fotografische Maschine pausenlos in Betrieb“ gewesen, wie ein Journalist berichtete. Die geschossenen Porträts, Typenstudien und Architekturaufnahmen verwendete Müller als Grundlage für spätere Ölgemälde exotischer Szenerien.

Die Schau wartet auch mit einigen weiteren staunenswerten Fundstücken auf. So mit dem ergreifenden Blick in die antike Totenwelt in Adolf Hirémy-Hirschls Historiengemälde „Die Seelen des Acheron“ und mit dem farbenfrohen „Jungen im mittelalterlichen Kostüm“ von Franz von Matsch, dem Gestalter der berühmten Anker-Uhr, eines der Wahrzeichen Wiens.

Die Ausstellung „Inspiration Fotografie“ in der Galerie Belvedere in Wien, Prinz Eugen-Straße 27, ist bis zum 30. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, zu sehen. Telefon: 00 43 / 1 / 7 95 57-134

Der Katalog mit 272 Seiten kostet 39 Euro.  www.belvedere.at