© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

DVD: Die Schatten werden länger
Nach Akten der Sittenpolizei
Werner Olles

Frau Diethelm (Luise Ullrich)leitet in der Nähe von Zürich eine Erziehungsanstalt für minderjährige Mädchen, die auf die schiefe Bahn zu geraten drohen oder bereits dort gelandet waren. Ihre junge engagierte Stellvertreterin Christa Andres (Barbara Rütting) hat selbst eine dunkle Vergangenheit. Weil sie früher einmal als Prostituierte tätig war, bringt sie zwar einerseits viel Verständnis für ihre Schützlinge auf, fürchtet sich aber andererseits davor, daß ihr früheres Leben sie einholen könnte.

Besonders heftige Auseinandersetzungen gibt es immer wieder mit ihrem Sorgenkind Erika (Loni von Friedl), die eines Tages ihrem Freiheitsdrang nachgibt und aus dem Heim ausreißt, um im Rotlichtmilieu der Stadt unterzutauchen. Bei ihrer Suche nach dem jungen Mädchen trifft Christa dort auf ihren ehemaligen Zuhälter Max (Hansjörg Felmy), einen üblen Ganoven, der sich inzwischen auch an Erika herangemacht hat. Als Max Christa damit erpressen will, ihre Vergangenheit auffliegen zu lassen, wenn sie Erika wieder mit ins Heim nimmt, kommt es zu einer Verzweiflungstat …

Der ungarische Regisseur Ladislao Vajda drehte die schweizerisch-deutsche Co-Produktion „Die Schatten werden länger“ 1961 nach Originalakten der Züricher Sittenpolizei. Doch es sind allein die erstklassigen Schauspieler – Ufa-Star Luise Ullrich ist hier in ihrer letzten Rolle zu sehen –, die verhindern, daß die allzu konstruiert wirkende Geschichte am Ende vollends zum Kolportage-Drama verflacht. Vajda gelingt es mangels atmosphärischer Spannung und psychologischen Raffinements leider nicht, an seine großartigen Werke „Das Geheimnis des Marcellino“(1954), „Der Hund, der Herr Bozzi hieß“ (1957) und „Es geschah am hellichten Tage“(1958) anzuknüpfen.

Daß „Die Schatten werden länger“ dennoch auch heute noch sehenswert ist, verdankt der Film neben seinen Darstellern vor allem der hervorragenden Kameraführung und den Außenaufnahmen des nächtlichen Zürich von Heinrich Gärtner, mit dem Vajda bereits drei Jahre zuvor den Dürrenmatt-Stoff „Es geschah am hellichten Tag“ mit Heinz Rühmann gedreht hatte. Seine alte Meisterschaft gewann der Regisseur jedoch erst ein Jahr später mit „Das Feuerschiff“, der Verfilmung einer Erzählung von Siegfried Lenz, zurück.

DVD: Die Schatten werden länger. Pidax-Film 2016, Laufzeit etwa 91 Minuten