© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Warten auf eine starke internationale Institution
Bis dahin moderiert der UN-Sicherheitsrat den Klimawandel und verhindert Wasserkriege
Oliver Busch

In einem 2013 von der Regierung der Philippinen gegen China angestrengten Verfahren verkündete der Internationale Schiedshof in Den Haag am 12. Juli seine Entscheidung. Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer, so heißt es darin, stünden China weder aus den von Peking reklamierten historischen Rechten noch aus geltendem Völkerrecht zu. 

Während der Spruch in Manila und im übrigen südostasiatischen Raum, wo man sich durch Chinas expansive Politik bedroht fühlt, Jubel auslöste, hieß es aus Peking kühl, die eigene Souveränität und die Seerechte im Bereich der umstrittenen Spratley-Inseln seien davon nicht berührt. Von der „politischen Farce unter dem Vorwand des Rechts“ werde man sich nicht beeindrucken lassen und das Haager Urteil daher schlichtweg ignorieren.

In den bundesdeutschen Instituten für Völkerrecht dürfte die chinesische Reaktion einmal mehr für Irritationen sorgen. Denn wieder hält sich eine Großmacht nicht an die dort seit Jahrzehnten favorisierten Spielregeln von „World Governance“, die vorgeben, Konflikte durch „Recht, Dialog, Deliberation“ zu entschärfen. An diesem auch von der Supermacht USA gern mißachteten Rezept hält auch das Bochumer Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht in seiner von der EU geförderten Untersuchung über „Wasserkriege“ fest (RUBIN – Ruhr Universität Bochum, Info 2/2015).

Zunächst einmal, so beruhigt der Institutsdirektor Pierre Thielbörger, gebe es per definitionem gar keine Kriege mehr. Das moderne Völkerrecht nennt sie „internationale bewaffnete Konflikte“. Unter diesem neuen Etikett seien Kriege, etwa um Gasvorkommen des Südchinesischen Meeres oder um Wasserressourcen, zwar immer noch möglich. Aber nicht unausweichlich, wenn „alle Akteure an einem Tisch“ sitzen, verhandeln und sich einigen. So geschehen in der Nigerbecken-Kommission. Hier habe der Wassermangel, unter dem alle Anrainer des Niger litten, sein „Friedenspotential“ entbunden, denn die Kommission konnte bislang die gerechte Verteilung des knappen Guts organisieren.

Fehle diese Voraussetzung institutionalisierten Interessenausgleichs, so räumt Thielbörger ein, ist es mit dem rechtlichen Management von Konflikten nicht weit her. Eine insoweit „besonders gefährdete Region“ findet der Völkerrechtler im Gebiet um von Euphrat und Tigris vor. Hier, wo die Türkei, der Irak und Syrien gleichermaßen auf das Wasser beider Flüsse angewiesen sind, seien „bewaffnete Auseinandersetzungen um die Ressource Wasser“ nicht auszuschließen. Die klassische Konstellation dafür ergebe sich aus dem Ungleichgewicht des Machtgefüges. 

Bei Wasserversorgung sitzt Türkei am längeren Hebel

Die wirtschaftlich und militärisch ihren Nachbarn überlegene Türkei sitze auch bezüglich der Wasserversorgung am längeren Hebel, könne ihre Stärke ausspielen und müsse sich gegenüber dem Irak und Syrien auf keine rechtlichen Zugeständnisse einlassen. Der von dieser verzwickten Lage offenbar überforderte Thielbörger verweist ratlos auf die Europäische Union: Das Thema sollte „auf der Agenda stehen“, wenn die EU mit der Türkei über eine privilegierte Partnerschaft oder „sogar über einen Beitritt verhandelt“.

Den UN-Sicherheitsrat hält Thielbörger hingegen für eine weniger gute Adresse. Denn der befasse sich nur mit akuten Bedrohungen des Weltfriedens. Der Klimawandel könnte jedoch Zuständigkeiten ändern. Doch Thielbörger plädiert nicht dafür, den Hebel bei den Menschenrechten anzusetzen. Hier sei, so argumentieren einige seiner Kollegen, die Staatengemeinschaften unter UN-Ägide in der Vergangenheit bisher zwar nur bei extremen Menschenrechtsverletzungen wie Völkermord oder Kriegsverbrechen aktiv geworden, aber zukünftig gefährde eben klimabedingt verschärfter Wassermangel elementare Menschenrechte. Offenbar weil hier eine weitere Tür für Interventionskriege unter UN-Mandat geöffnet würde, lehnt Thielbörger diesen Weg genauso ab wie eine Sonderregel, die den Klimawandel dem Terrorismus gleichsetzt.

Stattdessen wartet der Bochumer Experte für Humanitäres Völkerrecht mit einer in seiner Branche typischen Gummilösung auf. Solange wir keine „neue starke internationale Institution“ hätten, sollte der Sicherheitsrat sich bemühen, jeden einzelnen der 193 Staaten der „Weltgemeinschaft“ zu verpflichten, seine Klimaschutzmaßnahmen so zu verbessern, daß der Klimawandel nicht Richtung Wasserkrieg eskaliere.