© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Hochwassermeldungen aus dem Weltall
Messungen der Satellitengravimetrie sollen früh vor Naturkatastrophen warnen / Schweizer Astronom Jäggi zeigt Alternativen auf
Dieter Menke

Von der Eisüberwachung in den Polargebieten über die Luftqualitätsmessung bis hin zum Notfallmanagement bei Waldbränden bietet „Copernicus“, das Satelliten-Programm der EU, eine breite Palette von Umwelt- und Sicherheitsanwendungen.

Hinter dem Namen des preußisch-deutschen Astronomen Nikolaus Kopernikus (1473–1543) aus der Hansestadt Thorn, so enthüllt Adrian Jäggi, der Direktor des Astronomischen Instituts der Universität Bern (AIUB), verberge sich der technizistische Anspruch der EU-Bürokratie, „die Erde systematisch und kontinuierlich zu beobachten“. Selbstverständlich nur, um ihre Bewohner auf natürliche oder vom Menschen verursachte Katastrophen vorzubereiten und vor deren Auswirkungen bestmöglich zu schützen (UniPress Bern, 168/16).

Veränderungen im Schwerefeld der Erde

Allerdings weise dieses so dicht geknüpft scheinende Kontrollnetz in Zeiten des Klimawandels eine empfindliche Lücke auf. Mit der klassischen Erdbeobachtung à la Copernicus könne man auf die sich häufenden Hochwasserereignisse nicht angemessen reagieren. Dazu müsse der Grad der Sättigung des Bodens mit Wasser erfaßt werden. Dies gelinge nur mit der von Jäggi favorisierten Satellitengravimetrie, die Veränderungen im Erdschwerefeld hochgenau abbilde.

Die Meßdaten dafür liefere gegenwärtig die deutsch-amerikanische Satellitenmission Grace (Gravity Recovery and Climate Experiment) und ab 2017 deren Nachfolgeprojekt Grace-Follow on (gracefo.jpl.nasa.gov). Mit „unvorstellbarer Präzision“ registrierten die beiden Grace-Satelliten den globalen Kreislauf des Wassers und die von Menschen verursachten Masseverlagerungen des Erdkörpers: von landwirtschaftlich induzierten Absenkungen des Grundwassers bis zum Abschmelzen des Festlandeises in den Polarregionen.

Die komplizierte, weltweit nur von sechs Institutionen zu meisternde Datenanalyse benötige jedoch Monate und erlaube daher noch keine frühe Katastrophenwarnung. Bis 2020, so glaubt Jäggi, könne man die Meßmethoden aber soweit verfeinern, daß ein Testlauf zeigen werde, ob sich Vorwarnzeiten bei sich anbahnenden Fluten verkürzen lassen.

Satellitengravimetrie-Projekt Egsiem:  www.egsiem.eu

Astronomisches Institut der Universität Bern:  www.aiub.unibe.ch