© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/16 / 29. Juli / 05. August 2016

Komm und flieg mit mir
Am hohen Himmel statt auf der vollen Autobahn: Mitflugzentralen vermitteln Passagiere an Sportpiloten, und jeder hat etwas davon
Christian Rudolf

Wer privat oder beruflich viel auf dem Landweg unterwegs ist, weiß: Mitfahrgelegenheiten sind eine feine Sache. Bei einer Kilometerpauschale von etwa fünf Euro pro 100 Kilometer reist man ungleich günstiger als mit der teuren Eisenbahn, ist bei weitem schneller als mit dem Reisebus, und dank Internet können Fahrer und Mitfahrer direkt miteinander Kontakt aufnehmen, Treffpunkt, Uhrzeit und Zielort individuell abmachen. Für die gängigen Strecken, innerdeutsch und ins europäische Ausland, finden sich immer Anbieter und Mitfahrer, und allen ist gedient: Der Mitfahrer freut sich über eine preiswerte Beförderung, und der Fahrer über den Zuschuß zu den Benzinkosten.

Nicht ganz so komplikationslos gibt es das gleiche System prinzipiell auch für den Luftweg – bereichert um eine einzigartige Reiseerfahrung. Die ein- oder zweimotorigen Kleinflugzeuge überfliegen das Land nicht hoch über den Wolken wie Linienmaschinen, sondern in nur tausend Metern Höhe, so daß sich atemberaubend schöne Ausblicke auf Stadt und Land bieten. Gibt’s auf der Autobahn Stau und Baustellen und sind Züge überfüllt, ist am Himmel immer Platz genug.

Flugstunden nachweisen und Hobby mitfinanzieren

Via Internet finden Piloten und Mitflieger zusammen. Der Mann am Steuer hat freie Plätze in seiner kleinen Privatmaschine, meist eine Cessna oder eine Piper, anzubieten, und wer die gleiche Strecke zurücklegen will wie er, kann sich direkt beim Piloten melden und mitfliegen.

Auf den hierfür gängigsten Internetseiten Wingly, Flyt.club, mitflugzentrale.de oder skyuber.com sind viele freie Angebote fürs Mitfliegen gelistet, meistens in Zwei- bis Viersitzern. Die Motivation des Piloten liegt vor allem darin, die notwendigen Flugstunden für den Erhalt der Fluglizenz nachweisen zu können und jemanden zu finden, der sein Hobby mitfinanziert. Eine Gewinnabsicht darf er nicht verfolgen.

In knappen Einträgen zu angebotenen Mitflug-Plätzen steht, von welchem Startflughafen es wann zu welchem Zielflughafen abgeht. Aktuell werden auf Wingly beispielsweise folgende Mitfluggelegenheiten angeboten: Berlin-Strausberg – Sylt (180 Euro), Bremen – Helgoland (75), Speyer – Bielefeld (100), Hamburg – Bonn (99), Paderborn-Haxterberg – Berlin-Strausberg (116), Augsburg – Venedig (160), von der ostfriesischen Insel Juist aufs Festland für 17 Euro, aber auch von Mönchengladbach nach London (155) oder von Prag nach Mährisch-Ostrau für 123 Euro. Bei Flyt.club ist das Angebot ähnlich: Essen –  Kiel 385 Euro, Eberswalde – Dresden (132), Verona – Leipzig/Halle (220), Frankfurt – Hamburg (137), Frankfurt – Breslau hin und zurück (381) und von Berlin zum Metal-Festival in Wacken für 137 Euro – ohne Rückflug!

Feste Termine kommen zwar vor, sind aber selten, oft heißt es „nach Absprache“, „jederzeit“, oder es ist ein einzelnes Datum angegeben. Zwei Drittel der Flüge sind Rundflüge, Streckenflüge machen etwa ein Fünftel des Angebots aus.

Wingly ist nicht die erste und nicht die einzige Mitflugzentrale auf dem deutschen Markt, aber die neueste. Die Netzseite des deutschen Alt-Pioniers, mitflugzentrale.de, gibt es seit 1994, aber so sieht der Netzauftritt auch aus; ähnlich überarbeitungsbedürftig wirkt eddh.de. Flyt.club, die deutsche Gründung dreier Leipziger, ist flott und modern und hat ähnlich viel im Angebot wie Wingly. Das Start-up aus Frankreich expandierte im Februar nach Deutschland und hat nach eigenen Angaben hier 900 Piloten und 3.600 Mitflieger. Da ist bei rund 40.000 Privatpiloten noch Luft nach oben. Aber Wingly will hoch hinaus: Österreich, die Schweiz und Frankreich sollen bis Jahresende erschlossen werden, bis 2020 ganz Europa als Mitflugzentrale bedienen, warb Mitgründer Lars Klein kürzlich in der Welt.

Was so einfach klingt wie beim Autofahren, hat in der Praxis seine Tücken, die mit den spezifischen Bedingungen der Fliegerei zusammenhängen. Die Kleinflugzeuge ohne Turbinen fliegen zumeist ohne Instrumente auf Sicht und benötigen gutes Wetter; sind Sturm oder Gewitter angesagt, muß die Maschine am Boden bleiben oder auch landen – und der Mitflieger kommt nicht weiter. Zudem ist es nicht jedermanns Sache, sich einem unbekannten Piloten in einem kleinen Flugzeug anzuvertrauen.

Wer keine Massenabfertigung am Großflughafen über sich ergehen lassen will, Streß und Warterei nicht mag, das enge Sitzen in vollen Linienflugzeugen schlecht erträgt, dazu das nötige Kleingeld mitbringt (siehe oben) und vor allem zeitlich flexibel ist, der kommt bei der Mitflug-Methode auf seine Kosten.Romantischer als Ryanair ist es allemal!

 https://flyt.club

 https://de.wingly.io

 https://www.skyuber.com

 http://www.mitflugzentrale.de