© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/16 / 12. August 2016

Einst gehätschelt, jetzt geschmäht
Ditib: Wegen Erdogan gerät der Verband bei uns in die Kritik
Christian Schreiber

Die innenpolitischen Zustände in der Türkei haben längst die Bundesrepublik Deutschland erreicht. Galt es jahrelang als Tabu, die Rolle der islamischen Verbände zu thematisieren, so hat sich der Ton in den vergangenen Wochen drastisch verschärft. Nicht nur die Tatsache, daß ein SPD-Mitglied die Pro-Erdogan-Demonstration in Köln angemeldet hat, auf der die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert wurde, sorgte dabei für Unruhe, auch die Rolle des islamischen Dachverbands Ditib rückt immer stärker in den Fokus. 

„Wer mit Ditib kooperiert, kooperiert mit Ankara und nicht mit einer Religionsgemeinschaft in Deutschland“, sagte der religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Predigtmotive in Ditib-Moscheen würden „direkt aus der nationalen türkischen Politik entnommen, nicht aus der Religion“, sagte Beck. Die Imame der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) sind Beamte des türkischen Staates und unterstehen der Kontrolle durch das türkische Religionsministerium Diyanet. Vor allem in Nordrhein-Westfalen, wo im kommenden Frühjahr ein neuer Landtag gewählt wird und die Sorge der Etablierten vor einem Erfolg der Alternative für Deutschland (AfD) wächst, gewinnt die Debatte an Schärfe. 

CDU hat Gespräche     mit Ditib eingestellt

FDP-Chef Christian Lindner schimpfte in der vergangenen Woche, es sei „inakzeptabel, daß die türkische Regierung die Ditib-Moscheen kontrolliert“. Was da gepredigt werde, sei „ein Fall für den Verfassungsschutz“, sagte Lindner, zugleich Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Düsseldorfer Landtag. In Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen arbeitet Ditib bereits unmittelbar an der inhaltlichen Gestaltung des Islam-unterrichts mit. Allein in Nordrhein-Westfalen nehmen 13.700 Schüler an 176 Schulen an dem Unterricht teil. Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi überprüfte die Lehrpläne in Hessen und stellte eklatante Lücken fest. „Der Religionsunterricht dreht sich vor allem darum, wie toll der Islam ist. Eine kritische Auseinandersetzung findet nicht statt“, sagte er der Bild-Zeitung und ergänzte: „Ditib ist nicht an einem interreligiösen Dialog interessiert, sondern daran, die Türken in Deutschland unter Kontrolle zu halten und ihre Integration in die weltliche Welt zu hindern.“ Mehr als 900 Imame sind derzeit in Deutschland tätig, bislang wurde offenbar wenig bis gar nicht kontrolliert, wie diese ihre Arbeit verrichten. 

Als eine „Abschaffung der Demokratie“ bezeichnete die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter die Zustände in der Türkei gegenüber der Frankfurter Neuen Presse und fürchtet, daß in deutschen Schulen diese Politik gerechtfertigt würde. „Die Ditib ist strukturell, finanziell und ideologisch abhängig von Diyanet, der türkischen Religionsbehörde, die wiederum unmittelbar dem türkischen Präsidenten Erdogan unterstellt ist“, sagte Schröter, es existiere eine direkte „Einflußkette“.

Ein Vertreter von Ditib in Rheinland-Pfalz wies die Vorwürfe unterdessen zurück. „Wir stehen zur Demokratie, zur Freiheit“, sagte der Vize-Vorsitzende Cihan Sen der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind eine Religionsgemeinschaft und keine politische Instanz.“ Ditib wolle weiter mit der Landesregierung über einen Vertrag und über Islamunterricht in Schulen sprechen und warte auf ein Signal. „Wir sind überparteilich und das wollten wir klarstellen“, sagte Sen. „Wir sind eine Religionsgemeinschaft nach deutschem Recht.“

Die rheinland-pfälzische Landesregierung verhandelt seit Monaten mit vier islamischen Verbänden über die Gestaltung des Islamunterrichts an den Schulen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte gegenüber der Tageszeitung Die Welt eine Prüfung der Zusammenarbeit an. „Wir werden nicht zulassen, daß innenpolitische Konflikte aus der Türkei in Rheinland-Pfalz ausgetragen werden.“ Der Dialog mit Ditib ruht in Mainz mittlerweile.

Auch in Niedersachen liefen entsprechende Gespräche. Seit den Zeiten Christian Wulffs diskutierte Niedersachsens Politik über einen Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden, vergleichbar dem mit den Kirchen. Bereits nach den Terroranschlägen in Paris im vergangenen November hatte SPD-Ministerpräsident Stephan Weil das Tempo gedrosselt. Es werde keine eigenen Feiertage für muslimische Arbeitnehmer geben. Gebetsräume für muslimische Schüler seien ebenfalls tabu. Und liberale Kopftuchregeln für muslimische Lehrerinnen seien überhaupt kein Thema. Im Frühjahr dieses Jahres wurden die Verhandlungen dann vorübergehend ganz auf Eis gelegt (JF 20/16). Grund war ein Führungswechsel im Landesverband der Muslime, mit dem – so die Befürchtung schon damals – eine größere Einflußnahme der Türkei auf das Gremium drohe. 

Die CDU-Fraktion in Hannover ging nun sogar einen Schritt weiter und zog sich aus den Verhandlungen ganz zurück. „Wir werden bis zum Ende der Legislaturperiode keine weiteren Verhandlungen führen“, sagte der Fraktionsvorsitzende  Björn Thümler. Ein Grund für das Ende der Gespräche mit Ditib sei die Nähe zur Türkei, erklärte Thümler dem Norddeutschen Rundfunk. Die nötige Staatsferne sei nicht gegeben. Das sei der CDU in den vergangenen Wochen klargeworden. Emine Oguz, Geschäftsführerin der Ditib in Niedersachsen und Bremen, warf der der Union „politische Polemik“ vor. Knapp einen Monat vor den Kommunalwahlen bediene die Fraktion bestimmte Gruppen in der Wählerschaft mit „AfD-Parolen“.