© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/16 / 12. August 2016

Zeitschriftenkritik: Ruperto Carola
Asymmetrische Nord-Süd-Beziehungen
Werner Olles

Mit dem Schwerpunktthema „Nord und Süd“ widmet sich die aktuelle Ausgabe (Nr. 8/2016) des zweimal jährlich erscheinenden Forschungsmagazins Ruperto Carola der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität globalen Zusammenhängen und Herausforderungen wie der Völkerwanderung, dem Klimawandel und den asymmetrischen Beziehungen zwischen den Ländern der südlichen Hemisphäre und denen des Nordens. Hierzu versammelt das Magazin Autoren aus der Ökonomie, Physik, Geographie, Tropenmedizin, Psychopharmakologie, der Romanistik und der Musikwissenschaft. Sie erforschen die gegenseitige Wahrnehmung aus dem Blickwinkel von Europa und islamischen Ländern oder den Süden als Sehnsuchtsregion.

Dabei führen uns die aktuellen Völkerwanderungen vor Augen, wie groß die Unterschiede zwischen Nord und Süd nach wie vor sind. Jahrzehntelange Entwicklungshilfe hat an dem eklatanten Wohlstandsgefälle nichts ändern können. Zu den Ursachen dieser Ungleichheiten bemerkt der Humangeograph Hans Gebhardt, daß beispielsweise globale Unternehmen im Süden günstig Ackerflächen aufkaufen, um Biosprit oder Soja anzubauen, die Gewinne jedoch in der globalisierten Wirtschaft akkumuliert werden, und dem ausgebeuteten Land selbst wenig bleibt. Gibt es nichts mehr zu holen, ziehen die internationalen Konzerne weiter. Hinzu komme, daß von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs, Frankreich und Großbritannien, Ländergrenzen nach kolonialen Gesichtspunkten gezogen wurden. Es könne jedoch auf Dauer nicht gutgehen, wenn kulturelle und ethnische Gemeinschaften zerschnitten werden. Ein verheerendes Beispiel hierfür seien die auf vier Staaten verteilten Kurden. Als erschütternd bezeichnet Gebhardt auch den Zustand des Jemen, der zu Beginn der 1980er Jahre noch ein einigermaßen intaktes Land gewesen sei. Heute sei der Jemen ein gescheiterter Staat mit einem flächenhaften Anbau von Qat, einer Softdroge, und einem Nachbarn, Saudi-Arabien, der sich mit brutalen Militäraktionen in die Geschicke des Landes einmische und es dadurch immer mehr destabilisiere. 

Die Frage, wie sich den Ländern des Südens helfen ließe, wird von den meisten Wissenschaftlern pragmatisch beantwortet. Die einzige Chance bestehe darin, die Menschen dort gut auszubilden und zu befähigen, sich selber zu helfen. Außerdem gehöre dazu eine realistische Flüchtlingspolitik. So müsse man die Auffanglager besser unterstützen und konsequent gegen Schleuser vorgehen.

Interessant ist auch eine Debatte über die Folgen des Klimawandels, die im öffentlichen Diskurs überschätzt würden. So habe es Hungersnöte immer schon gegeben, etwa in Folge des natürlichen Klimaphänomens El Niño. Skandalös sei hingegen, daß Entwicklungshilfe bislang noch keinen nachweisbaren Beitrag zum Wirtschaftswachstum geleistet habe. In dieser Frage sind die Wissenschaftler jedoch in ideologische Lager zersplittert, wobei jede Gruppe passende Studien anführen kann.

Kontakt: Universität Heidelberg, Kommunikation und Marketing, Grabengasse 1, 69117 Heidelberg. 

 www.uni-heidelberg.de