© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/16 / 12. August 2016

Facebooks Schand’ kommt an die Wand
Zensur: Joachim Steinhöfel listet willkürliche Sperrungen des Sozialnetzwerks auf einer Internetseite auf
Ronald Berthold

Ein scheinbar harmloser Satz wirft die Frage nach den Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland auf: „Es ist das legitime Interesse unseres Rechtsstaates zu wissen, wer und mit welchem Background in unser Land kommt.“ Gesagt hat ihn FDP-Bundesvorstandsmitglied Lencke Steiner. Die Liberalen haben diese Worte über Facebook verbreitet. Als ein Nutzer das Zitat teilte, hat Facebook ihn für 24 Stunden gesperrt und den Beitrag gelöscht. Begründung: Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards. 

So geht es derzeit vielen, die auch nur ansatzweise die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kritisieren. Gegen solche „willkürlichen Sperrungen oder Löschungen“ zieht nun der Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel zu Felde. Der Jurist hat die Internetseite „facebook-sperre.steinhoefel.de“ ins Leben gerufen. Er nennt sie „Wand der Schande“. Hier kann sich jeder melden, der von Zensurmaßnahmen hört oder von diesen betroffen ist.

Die Bundesregierung übt Druck auf Facebook aus

Steinhöfel begründet die Initiative so: „Sich zu wehren ist schwer oder unmöglich. Das muß sich ändern.“ Der 54jährige, der sich durch rund 150 gewonnene Fälle vor dem Bundesgerichtshof einen Namen machte, kritisiert, daß Facebook „seiner Verantwortung beim Aufeinanderprallen unterschiedlichster Auffassungen im politischen und sonstigen Meinungswettstreit nicht gerecht“ werde. 

Er zieht in Erwägung, demnächst Schritte gegen das Netzwerk einzuleiten, „wenn wir die Sperrungen oder Löschungen für rechtswidrig halten“. Er werde dafür und nur nach Zustimmung der Betroffenen die auf seiner Seite dokumentierten Beispiele nutzen. Kosten entstünden den gesperrten Facebook-Kunden keine.

Hintergrund: Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen angebliche „Haß-Sprache“ übt die Bundesregierung Druck auf das soziale Netzwerk aus, Meinungsäußerungen zu zensieren. Zuletzt traf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg, und Justizminister Heiko Maas (SPD) setzte zu diesem Zweck eine Arbeitsgruppe ein, deren Mitglieder sich nicht immer vom Linksextremismus abgrenzen. Eine führende Rolle spielt dabei die Amadeu-Antonio-Stiftung der früheren Stasi-IM Anetta Kahane. Eine Mitarbeiterin der Stiftung bedankte sich bei „Bomber Harris“ für die Bombardierung Dresdens, bei der Zehntausende Menschen umkamen und fordert: „Deutschland abschaffen“. Während diese Gruppe penibel nach unliebsamen Beiträgen forscht, legte Maas nach: Die Lösch-Praxis habe „noch nicht einen Zustand erreicht, mit dem man zufrieden sein kann“.

Seitdem beobachten viele Nutzer verschärfte Maßnahmen von Facebook. Betroffen sei keineswegs nur sogenannte Hetze. So dokumentiert Steinhöfel auf seiner neuen Seite den Fall einer Nutzerin, der für eine 30tägige Sperre sorgte. Die Frau hatte geschrieben: „Islamisten sind nichts anderes als Menschen, die den Koran wörtlich auslegen.“ Wer den Koran wörtlich auslege, übernehme die 25 „direkten Tötungsbefehle, die im Koran inhärent sind“. Sie habe „erkannt, wie gefährlich das Ganze sein kann, wenn man nicht bereit ist, sich von diesen Tötungsbefehlen zu verabschieden“.

Steinhöfel veröffentlicht nur gesperrte Beiträge, wenn diese „in Deutschland rechtmäßig“ seien. Seine Folgerung: Wer sich „rechtstreu verhalten“ habe, werde „bestraft“. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung könne „nicht durch einen Monopolisten wie Facebook nach eigenem Gutdünken und nur auf der Basis von ebenso schwammigen wie beliebig auszulegenden ‘Gemeinschaftsstandards’ ausgehebelt werden“.

Steinhöfel geht bisher bei seiner „Wand der Schande“ nicht auf den Druck der Bundesregierung ein. Allerdings kritisierte er vergangene Woche scharf den CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Zimmer, der einen Merkel-Kritiker mit Denunziation beim Arbeitgeber bedrohte. Auf Zimmers lobenden Facebook-Beitrag über die Flüchtlingspolitik hatte dieser Gegenargumente präsentiert – nach Steinhöfels rechtlicher Prüfung „sämtlich im Rahmen der verfassungsrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit“ und „weder Persönlichkeitsrechte noch Strafvorschriften“ verletzend. Aufgrund des Widerspruchs kündigte der CDU-Politiker an, „Ihren Arbeitgeber mal (zu) fragen, ob das denn betriebstypisch ist, was Sie da absondern“. Kurz darauf drohte er, in der Firma des Nutzers zu verbreiten, daß der Dissident „gegen Ausländer hetzt“ – offenbar in der Erwartung, daß dieser dann seinen Arbeitsplatz verliere.

Regierungskritiker sollen eingeschüchtert werden 

Der Versuch, Kritik an der Flüchtlingspolitik mit Fremdenfeindlichkeit gleichzusetzen und mit der Vernichtung der beruflichen Existenz zu drohen, könnte laut Steinhöfel „eine strafrechtliche Prüfung der Tatbestände von Nötigung und Beleidigung als erfolgversprechend erscheinen lassen“. 

Auch wenn sich Fälle häufen, in denen Vertreter nonkonformer Meinungen von Politikern bedroht und von Facebook gesperrt werden, betont der Anwalt, auf der „Wand der Schande“ sei es „völlig egal, welche politische oder sonstige Auffassung mit dem Kommentar oder dem Post vertreten wird, solange sie nicht gegen deutsches Recht verstoßen hat“.