© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/16 / 19. August 2016

Zwei vor, einer zurück
Wahlkampf: Die CDU entdeckt das Thema Innere Sicherheit wieder und fordert Gesetzesverschärfungen / Doch die Partei spricht nicht mit einer Stimme
Christian Vollradt

Die Anschläge von Würzburg, Ansbach und München hätten bei den Menschen Sorge um ihre Sicherheit erzeugt, räumt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ein. Notwendig sei deswegen ein entschlossen handelnder Rechtsstaat, der die nötige Härte gegen Straftäter und Gefährder anwende. Es ist Wahlkampf – die Gelegenheit für die Union, programmatische Duftmarken in Sachen Innere Sicherheit zu setzen. Allein über die Intensität derselben ist sogleich wieder ein parteiinterner Streit ausgebrochen. 

Die Rolle der Einheizer mit Maximalforderungen wird dabei den beiden Haupt-Wahlkämpfern zugewiesen: Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister und CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier sowie seinem Pendant Frank Henkel aus Berlin. Sie sind die treibenden Kräfte hinter der sogenannten „Berliner Erklärung“, die dieser Tage vorgestellt wird. Außer um die Sicherheit der Bürger sorgen sich die beiden Unions-Spitzenkandidaten auch um ihre Wahlchancen; denn sowohl in Mecklenburg-Vorpommern, wo am 4. September gewählt wird, als auch in der Hauptstadt, in der zwei Wochen später der Urnengang stattfindet, sitzt die AfD den Christdemokraten im Nacken. 

Bereits vergangene Woche wurden einige Forderungen aus der Erklärung bekannt. Darunter die nach einem Verschleierungsverbot („Burka-Verbot“) sowie nach der Abschaffung der doppelten Staatsangehörigkeit. Den Part des Bremsers übernahm daraufhin der Bundesinnenminister höchstselbst. De Maizière stellte am vergangenen Donnerstag sein eigenes Programm vor und ging ausdrücklich auf Distanz zu den Plänen der nordöstlichen Unions-Innenpolitiker. Ein generelles Burka-Verbot halte er beispielsweise für nicht erforderlich, meinte de Maizière. Auch wandte er sich dagegen, eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Bei diesem Thema habe man im Koalitionsvertrag einen Kompromiß gefunden, mit dem ein langer Streit befriedet worden sei, betonte der Minister. 

Seine Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheitslage dagegen seien „zügig umzusetzen, absehbar hilfreich und für den Koalitionspartner zumutbar“. Das Aufenthaltsrecht soll für straffällig gewordene Ausländer verschärft werden, indem der (Abschiebe-)Haftgrund „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ eingeführt wird. Wer selbst – etwa durch Identitätstäuschung – ein Abschiebehindernis verursache oder Straftaten begehe, soll künftig „als vollziehbar ausreisepflichtig behandelt werden und nur noch einen kurzen Abschiebeaufschub und das unabweisbar Gebotene zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten“. Im Maßnahmenkatalog steht auch die Wiedereinführung des Straftatbestands der Sympathiewerbung für Terrorismus. 

Denjenigen, die über eine doppelte Staatsangehörigkeit verfügen und im Ausland in Kampfhandlungen – beispielsweise für den Islamischen Staat – verstrickt sind, soll künftig die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden können, forderte der Minister am Dienstag. Damit soll analog angewendet werden können, was derzeit schon für Doppelstaatler gilt, die in fremden Streitkräften dienen. 

Er spreche sich weiterhin für eine strikte Trennung des Flüchtlingsthemas vom Terrorismusthema aus, bekräftigte de Maizière vor Journalisten. „Dennoch kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Täter von Ansbach und Würzburg Flüchtlinge waren.“ 

Ohne den Wahlkämpfern Caffier und Henkel direkt in den Rücken zu fallen, ging auch das Parteipräsidium der CDU auf Distanz zu den durchgesickerten Vorstößen. Statt eines grundsätzlichen Burka-Verbots solle es Einschränkungen für das Tragen von Gesichtsschleiern im öffentlichen Raum geben, etwa beim Autofahren, in Ämtern oder vor Gericht. Entsprechende gesetzliche Möglichkeiten sollen „geprüft“ werden, heißt es aus der Parteispitze.

Als unzureichend kritisierte die Pläne de Maizières dagegen der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten: Die Bürger würden „einen wankelmütigen Staat, der Parallelgesellschaften zuläßt und aus falsch verstandener Toleranz vor drastischeren Maßnahmen zurückschreckt, nicht akzeptieren“, sagte er der Stuttgarter Zeitung.