© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Drama in der Denkfabrik
Studienzentrum Weikersheim: Harald Seubert ist erst als Vorsitzender zurück- und dann ausgetreten / Das übrige Präsidium weist seine Vorwürfe zurück
Christian Vollradt

Eigentlich steht das Thema Massenzuwanderung auf dem Programm, wenn sich die Mitglieder des traditionsreichen Studienzentrums Weikersheim (SZW) Anfang September zu ihrer 39. Jahrestagung im beschaulichen Taubertal versammeln. Für weitaus mehr Gesprächsstoff dürfte im Vorfeld jedoch eher eine Abwanderung sorgen; wenn auch nicht von Massen, sondern nur die einer einzelnen Person: des bisherigen SZW-Präsidenten Harald Seubert. 

Zwar hatte Seubert bereits im Juni in einem Schreiben an die Weikersheimer mitgeteilt, daß er sich „zum September“ von seinem Ehrenamt zurückziehen werde und seine beiden Vizepräsidenten Karl Albrecht Schachtschneider und Jost Bauch interimistisch bis zur regulären Neuwahl des Präsidiums im Herbst 2018 die Leitung übernehmen. In einem ergänzenden Schreiben führte der in Basel lehrende Philosophieprofessor aus, sein Entschluß habe „mit persönlichen, beruflichen und privaten Entwicklungen zu tun“. Zudem benötige Weikersheim in der gegenwärtigen Lage, „in der einerseits konservative Positionen wieder vermehrt und teilweise hochkontrovers in die Diskussion kommen, andrerseits eine kluge und unabhängige Analyse der Lage unumgänglich ist, um einen gesunden Konsens in unserer Gesellschaft nicht zu verspielen, einen Präsidenten, der mehr Zeit und Energie auf dieses Amt verwenden kann, als es mir möglich ist und möglich sein wird.“

Einen Monat später veröffentlichte Seubert auf seiner eigenen Internetseite eine Erklärung, in der sich die Rücktrittsbegründung ganz anders anhört. Dort schreibt der Ex-Präsident unter anderem mit Blick auf Pegida von einer aufkommenden „Unkultur von Haß und Ressentiment“ und davon, daß seine Linie, „jedwede Berührung des SZW mit diesen Tendenzen eindeutig zu verneinen“, im Präsidium nicht geteilt worden sei. „Diesen Grunddissens konnte ich nicht länger ignorieren“, so Seubert. 

Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT präzisierte er, daß Mitglieder und Teile des Vorstandes Kontakte zu Gruppierungen wie der AfD oder Pegida unterhielten und deren Präsenz im SZW wünschten. „Immer wieder wurde ich in der Schlußphase meiner Präsidentschaft auf notwendige Allianzen angesprochen. Dies ist ein Kurs, den ich nicht teilen kann.“ Sein Blick auf die AfD sei unter anderem durch den Eindruck der Gedeon-Affäre überaus kritisch. Seubert betont jedoch, es habe keinen Bruch oder Konflikt gegeben, der an einem einzelnen Ereignis festzumachen sei. „Es ist wie in einer Ehe, in der man sich auseinandergelebt hat“, sagte er der JF. „Ich weise meinen Vizepräsidenten keine Schuld zu und halte ihre Integrität und Verdienste fest, auch wenn ich nicht jede ihrer Äußerungen teile.“ Schlußendlich trat Seubert nicht nur vom Vorsitz zurück, sondern auch aus dem Studienzentrum aus. 

Vizepräsident Jost Bauch kann diese ideologisch-politische Kehrtwende  nicht nachvollziehen. Seuberts Behauptungen seien „grundfalsch“, empört sich der Soziologe im Gespräch mit der JF: „Es gab im Präsidium nicht eine Spur von Dissens.“ Es habe auch immer Einigkeit darüber geherrscht, daß das SZW seine politische Unabhängigkeit wahren müsse. Weder mit der AfD noch mit Pegida habe es eine Kooperation gegeben. Natürlich seien einzelne Mitglieder in der AfD engagiert – so wie andere in der CDU. Dies sei aber deren Privatsache und bestimme nicht die politische Ausrichtung des SZW. Auch sei weder in Vorträgen noch in Publikationen des Studienzentrums einem dumpfen Nationalismus das Wort geredet worden, betont Bauch. „Wer das behauptet, muß es belegen – und es läßt sich nicht belegen“, ist er sich sicher. 

Daß er von Seubert – „den ich meinen Freund nannte“ – persönlich enttäuscht ist, verhehlt Bauch nicht. Er vermutet private Gründe im Zusammenhang mit „seiner aktuellen Lebensführungspraxis“, denen Seubert nun einen rationalen Überbau verleihen würde. „Aber es gibt keinen Grund, die Seiten zu wechseln und nun auf Weikersheim einzuschlagen.“