© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Grüße aus Bern
Heldenhaft abgefahren
Frank Liebermann

Bern ist im internationalen Vergleich eine recht kleine Hauptstadt. Richtig ärgern können sich die gemütlichen Eingeborenen, wenn irgendwelche dahergelaufenen Ausländer dann auch noch glauben, daß Zürich Hauptstadt wäre. Solche Kommentare lassen die behäbigen Berner sehr schnell hyperventilieren.

Seine geringe Größe kompensiert Bern mit großen Ereignissen. Kulturelle Anlässe aber auch spektakuläre Sportveranstaltungen finden mit Regelmäßigkeit statt. Die Eishockey Weltmeisterschaft oder die Fußball Europameisterschaft vor einigen Jahren haben für eine große Bekanntheit über die Schweiz hinaus gesorgt. 

Auch dieses Jahr ließ sich die Stadt wieder etwas einfallen. Sie richtete zwei Etappen der Tour de France aus, inklusive einem Ruhetag. Verantwortlich dafür war der umtriebige Stadtpräsident Alexander Tschäppät, der einen Ruf als Partykönig genießt. Zwölf  Millionen Fernsehzuschauer hätten die Stadt angeblich gesehen, hieß es, Medien aus 190 Ländern berichteten.

Wir hatten keine Versorgungsstationen, die uns mit Getränken und Nährstoffgels versorgen.

Mit einem guten Freund habe ich einen Teil der Tour-Ettape nun abgefahren. Rund 50 Kilometer sind wir heldenhaft durch das wilde Berner Hinterland getourt. Bei brütender Hitze radelten wir bergauf und bergab, mit unseren eher mittelmäßigen Fahrrädern. Die Strecke zu finden war sehr einfach. 

Bei einer kleinen Rast an einem Minigolfplatz, bei dem wir mit ein paar Getränken unseren großen Flüssigkeitsverlust wieder ausglichen, durften wir fluchende Anwohner kennenlernen. Diese waren stinksauer, weil sie angeblich die Belastungen gehabt hätten, während das große Geld in Bern hängengeblieben sei. Ich ersparte mir den Hinweis, daß die Stadt sehr viel für das Ausrichten bezahlt, und der Zahlungsrückfluß nicht sicher ist, wäre das doch nur als Klugscheißerei interpretiert worden. 

Als ich dann unsere Zeit mit denen der Tourradler verglich, stellte ich doch mißmutig fest, daß wir deutlich langsamer waren. Während die Profis die von uns abgefahrene Strecke in unter einer Stunde bewältigten, haben wir vier benötigt. Allerdings hatten wir auch keine Versorgungsstationen, die uns mit Getränken und Nährstoffgels versorgen. Wir hatten uns selbständig zu verpflegen, was viele wichtige Sekunden kostete. Schließlich mußten unsere Schnitzel zubereitet und das quellfrische Bier erst gezapft werden.