© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Blick in die Medien
Brexit ist gut fürs Geschäft
Tobias Dahlbrügge

Was haben die EU-nahen Medien nicht für Untergangsbilder an die Wand gemalt: Großbritannien würde nach dem Brexit quasi über Nacht zum Armenhaus; Börsen und Banken würden in Scharen von der Insel flüchten. Derzeit sieht es eher so aus, als ob das schwache Pfund den Kauf britischer Waren und Urlaub in England ausgesprochen lukrativ macht. Es dürfte auch nicht wenige Unternehmen geben, welche die Freiheit von exzessiven EU-Vorschriften anziehend finden.

Einen meßbar positiven ökonomischen Effekt hat der britische EU-Ausstieg jedenfalls für kritische Presseerzeugnisse. Zumindest für den Spectator. Die konservative Wochenzeitschrift aus London erlebt aktuell einen starken Aufschwung. Das Blatt hatte sich in den Monaten vor dem Brexit vehement für den EU-Austritt eingesetzt. Das Magazin hatte auch einen Schmähgedicht-Wettbewerb über Erdogan ausgeschrieben, den Boris Johnson („Brexit-Boris“) mit einem obszönen Limerick gewann.

Der „Spectator“-Herausgeber sagt, der Brexit habe neue Schichten für Politik interessiert. 

Das belohnen die Leser: Die Auflage, die bisher bei 70.000 Exemplaren lag, stieg mit einem Schlag auf 76.750 Druck- und E-Ausgaben. Das digitale Heft fand sogar 25 Prozent mehr Käufer, berichtet das englische Pendant zur IVW.

Die Nachricht stand ausgerechnet in der linken Traditionszeitung The Guardian, deren Auflage von einst über 400.000 in den letzten zehn Jahren auf deutlich weniger als die Hälfte abrutschte. Dennoch hat das Minus von mehr als 50 Prozent die Redakteure offenbar nicht an ihrer EU- und Obama-freundlichen Haltung zweifeln lassen. Das kennen deutsche Zeitungsleser von ihrer „Qualitätspresse“ nur zu gut.

Spectator-Herausgeber Fraser Nelson sagt, der Brexit habe ganz neue Schichten für Politik interessiert und sei ein Seismograph dafür, daß die Briten mehr kritische Informationen wünschten. Das Magazin stößt immer wieder kontroverse Debatten an. Den Lesern gefällt das – Stromlinienmedien gibt es schließlich genug.