© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/16 / 26. August 2016

Ein rascher Sieg mit null Soldaten
Vor 100 Jahren erklärte Rumänien den Mittelmächten den Krieg: Der Feldzug ihrer quantitativ überlegenen Armee endete im Fiasko
Jan von Flocken

Feldmarschall Paul von Hindenburg brachte es auf den Punkt: „Das Verhängnis brach über Rumänien herein, weil seine Armee nicht zügig marschierte, weil seine Führung nichts verstand. Tollkühn wird man uns vielleicht einmal nennen, wenn man die Stärkeverhältnisse vergleichen wird, unter denen wir gegen das rumänische Heer zum Angriff schritten.“

Rumänien hatte nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges zunächst eine neutrale Position bezogen. Doch nach dem Tod des deutschstämmigen Königs Karl I. im Oktober 1914 nahm die Regierung, häufig bezahlt von russischen Agenten, eine immer feindseligere Haltung gegen die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn an. Die Entente-Mächte stellten dafür eine Angliederung des ungarischen Siebenbürgen als Belohnung in Aussicht. „Die meisten Zeitungen waren fest in russischen Händen, zahlreiche im politischen Leben maßgebende Persönlichkeiten waren durch russische Interessen gebunden“, resümierte der österreichische Botschafter Graf Ottokar von Czernin. Man wartete in Bukarest nur noch auf die passende Gelegenheit. Die ergab sich im Spätsommer 1916, als der deutsche Angriff bei Verdun zu verbluten drohte und Österreich durch die russische Brussilow-Offensive erheblich geschwächt wurde.

Schnell geriet Rumäniens Armee in die Defensive

Die Kriegserklärung erfolgte am 27. August 1916. Rumäniens Ministerpräsident Ion Bratianu verkündete prahlerisch, es stünden „100.000 Rumänen gegen null Deutsche“. Der Kampf könne nur siegreich enden. Tatsächlich besetzten rumänische Truppen mit ihrer Kriegsstärke von 564.000 Mann und 1.300 (allerdings meist veralteten) Geschützen schnell die kaum verteidigte Siebenbürger Metropole Kronstadt (Brasov). Doch schon eine Woche später kam es zum Umschwung. Eine deutsch-österreichische Armee unter Führung des Generals Erich von Falkenhayn griff bei Hermannstadt (Sibiu) im Norden an. Am südlichen Flügel befehligte Feldmarschall August von Mackensen eine deutsch-bulgarische Armee – Bulgarien war seit Oktober 1915 Verbündeter der Mittelmächte.

Der alte Husar Mackensen hatte sich schon mehrfach an der Ostfront ausgezeichnet, so während der legendären Schlacht bei Tannenberg im August 1914. Jetzt bewies er wieder seinen Offensivgeist und nahm bereits am 6. September die mächtige Festung Tutrakan am Donau-Ufer ein; 21.000 Rumänen gingen hier in die Gefangenschaft. „Während die Rumänen in Ungarn eindrangen, ergriff Mackensen schnell und überraschend die Initiative zwischen Donau und Schwarzem Meer, in der Dobrudscha. Er trieb die zögernden bulgarischen Kommandeure energisch zum Angriff an“, schreibt Theo Schwarzmüller in seiner Mackensen-Biographie. Der General übernahm danach den Gesamtbefehl an der Rumänienfront.

Mit zunächst 70.000 Mann schlugen die Deutschen den Gegner (142.000 Rumänen und 40.000 Russen) in der Schlacht von Kronstadt am 7./8. Oktober. Beim Rückzug über die verschneiten Berge der Karpaten erlitten die Rumänen horrende Verluste, weil ihnen bayerische Gebirgstruppen dicht auf den Fersen folgten. Am 23. November setzte dann Mackensen vom bulgarischen Donau-Ufer bei Svishtov über den Fluß. Die Rumänen zogen sich danach über den 24 Kilometer langen Szurduk-Paß zurück und wurden bei Târgu Jiu schwer geschlagen. 

Ende November gruppierte der Oberkommandierende General Alexandru Averescu seine Streitmacht nahe der Hauptstadt Bukarest, um hier auf der inneren Linie eine Entscheidungsschlacht zu schlagen. In diesen Tagen griff zum ersten Mal auf dem Balkan auch ein deutsches Luftschiff (Z 181) in den Kampf ein und bombardierte die Außenforts von Bukarest. Durch mehrere geschickte Manöver packten Mackensens Truppen den Feind in Flanke und Rücken, worauf die Rumänen sich fluchtartig aus der Stadt zurückzogen, um nicht eingekesselt zu werden. Am 6. Dezember 1916, seinem 67. Geburtstag, marschierte Mackensen an der Spitze seiner Armee in die Hauptstadt Bukarest ein. Laut seiner Schilderung: „Nur von drei Offizieren begleitet, meinen Truppen zehn Kilometer voraus, als Erster in dem vom Feinde kaum geräumten Mittelpunkt des Landes!“

Mackensens Feldzug endete nach vier Monaten siegreich 

In der Schlacht am Arges, einem linken Nebenfluß der Donau, brach dann Anfang Dezember 1916 das Unheil über die Rumänen herein. „Fahrzeuge und Geschütze galoppieren, die Infanterie eilt in wildem Lauf“, erinnerte sich ein deutscher Mitkämpfer, Hauptmann Walter Vogel. „In wüstem Wirrwarr pressen sich in den Dorfgassen zerschossene Fahrzeuge, Geschütze und tote Pferde über gefallenen Rumänen zusammen. Unterdessen hämmert die bayerische Artillerie in die zurückflutenden Massen. (...) Schaurig sieht das Schlachtfeld aus.“ Schließlich kapitulierten mehr als 60.000 rumänische Soldaten.

Jetzt lag die gesamte Walachei nahezu unverteidigt vor den Soldaten der Mittelmächte, die auch die strategisch wichtige Stadt Braila mit ihrem Getreidehafen am Donaudelta eroberten. König und Regierung Rumäniens flohen nach Jassy an der Moldau, dem kläglichen Rest ihres Territoriums im Nordosten. Von ihren 24 Divisionen waren noch ganze sechs übriggeblieben, und das Land schied de facto aus dem Krieg aus. Nach nur vier Monaten war der Feldzug durch August von Mackensen siegreich beendet. Der tödliche Schlag gegen die Mittelmächte hatte sich ins Gegenteil verkehrt. Denn die vollen Getreidespeicher, das Holz der Wälder und die Ölfelder Rumäniens ermöglichten es ihnen erst, weiter Krieg zu führen.