© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die Jungen auf dem Tore
Christian Vollradt

Es sei „schlicht widerlich, wie Demokratiefeinde mit solchen Aktionen versuchen, sich dieses Symbol anzueignen, das inzwischen für ein demokratisches, friedliches und weltoffenes Deutschland steht“, teilte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erbost mit. 

Sein Zorn richtete sich gegen die knapp zwei Handvoll Kletterer, die am vergangenen Samstag mittags mit Leitern aufs Brandenburger Tor gestiegen waren und ihre Transparente enthüllt hatten. „Sichere Grenzen – sichere Zukunft“ prangte da unter der Quadriga, gut sichtbar, mitten im touristischen Herzstück der Hauptstadt. 

Nun wurde Berlins Wahrzeichen nicht zum ersten Mal in jüngster Zeit zur Kulisse politischer Demonstrationen umfunktioniert. Greenpeace läßt grüßen. Weil es diesmal aber keine Klimaschützer, sondern Angehörige der „Identitären Bewegung“ waren und weil es nicht gegen Atomkraft, sondern gegen die verfehlte Asylpolitik ging, reagierte das Rote Rathaus mit Schnappatmung. „Diese Aktivisten wollen ein anderes Land, sie zielen auf unsere Freiheit.“ Man werde nicht zulassen, „daß das Brandenburger Tor als Symbol der Ausgrenzung mißbraucht wird“, wetterte Müller, und Innensenator Frank Henkel (CDU) nannte das Ganze „widerwärtig“. Der Senat will nun umgehend die Sicherheitsmaßnahmen prüfen und eventuelle Lücken schließen. Damit das nie wieder passiert.  

„Es freut uns natürlich, daß wir zur zukünftigen Sicherheit Berliner Sehenswürdigkeiten beitragen konnten“, kommentierte Hannes Krünägel gegenüber der JUNGEN FREIHEIT die Aufregung. Der 27jährige war einer der Identitären auf dem Tor. „Unser Wille war es nicht, eine Straftat zu begehen, sondern eine dringend gebotene Botschaft zu plazieren“, betonte Krünägel. Alles sei „sehr gesittet und vor allem friedlich“ abgelaufen, man habe sich nur so lange der polizeilichen Aufforderung zum Abstieg widersetzt, „wie unbedingt nötig, um unsere Botschaft zu entrollen“. Zu der gehörte, so Krünägel , daß der „Schutz unserer Grenzen gesellschaftlicher Minimalkonsens sein sollte“. Mit Blick auf das Vorbild Greenpeace, die ähnliche Plakataktionen vorher gemacht hatten, nannte er die Kritik am Protest der Identitären doppelzüngig und heuchlerisch. 

Unterdessen ermittelt die Polizei gegen ihn und seine Mitstreiter wegen Nötigung, Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.