© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Alternativer für die Alternative
AfD II: Die Delegierten in Nordrhein-Westfalen beschließen die Landesliste zur Landtagswahl 2017 / Parteichef Marcus Pretzell bekommt Gegenwind
Christian Vollradt

Wer in der Bundespolitik etwas erreichen möchte, muß in Nord-rhein-Westfalen Erfolg haben. Politische Umbrüche haben häufig hier ihren Ausgang genommen; kein Wunder, daß auch in der AfD dem bevölkerungsreichsten Bundesland besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Im Mai kommenden Jahres wird der neue Landtag in Düsseldorf gewählt, ein entscheidender Stimmungstest für die Bundestagswahl im September 2017.

Gleich zwei komplette Wochenenden nimmt sich die nordrhein-westfälische AfD nun Zeit, um auf einer Landeswahlversammlung ihre Landesliste zu wählen. Los geht es am kommenden Samstag in Soest, am 10. und 11. September folgt die Fortsetzung in Werl. Um Listenplatz 1 bewirbt sich der Vorsitzende des Landesverbands, Marcus Pretzell. Doch der EU-Parlamentsabgeordnete hat mehr oder weniger überraschend Konkurrenz bekommen: Denn auch Thomas Röckemann, der für die AfD im Kreistag von Minden-Lübbecke sitzt, möchte als Spitzenkandidat in den Düsseldorfer Landtag ziehen.

„Ich sehe mich nicht als Gegenkandidat zu Marcus Pretzell, sondern als alternativen Kandidaten“, betont Röckemann im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Der 51jährige verneint, daß er für einen bestimmten parteiinternen Flügel stehe. Parteifreunde ordnen ihn als „liberal-konservativ“ ein. Allerdings trat er auch schon bei AfD-Demonstrationen gemeinsam mit Björn Höcke auf, der den rechten Flügel der Partei repräsentiert. 

Daß es in der NRW-AfD einige gibt, die mit Landeschef Pretzell unzufrieden sind und ihn parteiintern kaltstellen wollen, ist kein Geheimnis. Zu sprunghaft und opportunistisch sei er, zuwenig an den Verhältnissen im Land interessiert; stattdessen kümmere er sich lieber um die Kontaktaufnahme mit anderen europäischen Parteien oder mische an der Seite seiner Lebensgefährtin Frauke Petry auf Bundesebene mit. Pretzell verspreche jedem, den er brauche, alles, halte jedoch nichts davon. So lauten vom Tenor her die Vorwürfe, die freilich niemand offen erhebt. Bisher konnte der Landesvorsitzende jedoch stets genügend Unterstützer vorweisen; für seine innerparteilichen Gegner wäre am Wochenende also die nächste Gelegenheit, Stellung zu beziehen. 

Pretzells Gegenkandidat Röckemann lehnt solch ein konfrontatives Szenario unterdessen ab. Direkte Angriffe auf den Vorsitzenden sind ihm nicht zu entlocken. Nur einmal kann man leise Kritik vernehmen, als er bemerkt, der Landesverband hätte die Wahlkämpfer in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mehr unterstützen können. „Unsere Mitglieder haben keine Lust auf internen Streit. Wir sollten nach innen einig sein und nach außen angreifen“, meint Röckemann gegenüber der JF. Er selbst sieht sich als „Brückenbauer“. Vor allem aber gehe es ihm darum, Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich wieder an der Spitze zu etablieren. „Mein Ziel im Mai sind zwanzig Prozent“, gibt sich der Rechtsanwalt optimistisch. „In der übernächsten Legislaturperiode werden wir Regierungsverantwortung übernehmen müssen.“ 

Seine Chancen, sich im Rennen um Listenplatz 1 gegen den prominenteren Landeschef durchzusetzen, bewertet Röckemann als gut. Andere Beobachter sehen das skeptischer. Marcus Pretzell wollte im Vorfeld der Landeswahlversammlung gegenüber der jungen freiheit nicht Stellung nehmen. Die Entscheidung, wer die AfD-Liste anführt, bleibt den Delegierten am kommenden Wochenende überlassen.