© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Sicher kein billiges Vergnügen
Caravan-Salon 2016: Deutsche Hersteller haben bei den rollenden Reise-Unterkünften die Nase vorn
Christian Schreiber

Von Krise keine Spur, und das Wort Terror-Angst kommt in dem Marktsegment einfach nicht vor. Urlaub mit einem Reisemobil oder einem Wohnwagen ist derzeit wieder „in“. Die Branche, die sich in diesen Tagen auf der größten Fachmesse, dem „Caravan-Salon 2016“ in Düsseldorf versammelt, vermeldet Rekordzahlen. Rollende Reise-Unterkünfte sind bei den Kunden gefragter denn je. Der Caravaning Industrie Verband (CIVD) teilte kurz vor Messebeginn mit, daß die Zahl der Neuanmeldungen in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 25 Prozent auf über 417.000 angestiegen sei.

Zunehmende Beliebtheit der „Hotels auf vier Rädern“

Auch die Zahl der Wohnanhänger nahm um mehr als zehn Prozent auf über 616.000 zu. Die Tendenz sei weiterhin steigend. „Immer mehr Leute möchten auch im Urlaub überall das Zu-Hause-Gefühl haben: das eigene Bett, die eigenen Hygienestandards und dazu das kleine Abenteuer unterwegs“, erklärt CIVD-Geschäftsführer Hans-Karl Sternberg den Branchen-Boom.

Nach einer repräsentativen Umfrage können sich mehr als 20 Millionen Deutsche derzeit vorstellen, einen Caravan-Urlaub zu machen. Daß ein Viertel der Bevölkerung sich quasi mit einem Retro-Urlaub anfreundet, erklären Branchen-Experten nicht nur mit dem Wunsch nach Flexibilität und Individualität, auch die aktuelle globale Sicherheitsdebatte würde eine Rolle spielen. Mehrere Urlaubsanbieter berichten davon, daß es eine zunehmend größer werdende Zahl von Reisenden gebe, die Flughäfen meiden würden und Angst davor hätten, in einem Terrorfall in einem fremden Land festsitzen zu müssen. „Das spielt aber aus unserer Sicht eher eine untergeordnete Rolle“, teilt der CIVD mit. Geschäftsführer Sternberg verweist in diesem Zusammenhang gerne auf eine Studie der Forschungsgemeinschaft „Urlaub und Reisen“, nach der das Interesse an einem Urlaub im Reisemobil in den vergangenen zehn Jahren um mehr als ein Drittel angestiegen sei. „Noch stärkere Zuwachsraten haben lediglich Städtereisen und Wellnessurlaub zu verzeichnen. Wir können hier also von einem generellen Trend und nicht von einem kurzfristigen Effekt sprechen“, sagt er.

Die zunehmende Beliebtheit der „Hotels auf vier Rädern“ läßt sich auch an den Besucherzahlen des „Caravan-Salon“ erklären. Bei seiner 55. Auflage, die am Wochenende zu Ende geht, werden insgesamt mehr als 200.000 Besucher erwartet. Als die Messe im Jahr 1969 in der Ruhrgebiets-Metropole Essen startete, kamen damals an den drei Öffnungstagen lediglich 32.000 Besucher. 

Urlaub mit dem eigenen Reisemobil ist dabei beileibe kein billiges Vergnügen. Zwar bieten einige Hersteller Basis-Campinganhänger bereits für einen Preis von etwas mehr als 10.000 Euro an, ein einigermaßen komfortables Reisemobil kostet in aller Regel aber bereits mehr als 60.000 Euro. Dem Luxus sind dabei allerdings kaum Grenzen gesetzt. Einige besonders ausgefallene Modelle wechseln auch schon mal für eine halbe Million Euro den Besitzer. „Aber das sind natürlich Ausnahmen. In der Mehrzahl gehören Paare oder junge Familien zum festen Kundenstamm“, sagt Sternberg.

Für einen ordentlichen Caravan sind laut Verband rund 15.000 Euro aufwärts zu investieren, doch zum Ausprobieren könne es reichen, „sich zunächst einen gut ausgestatteten zu leihen“, sagt Tim Rüttgers, Technischer Direktor beim CIVD.

Dabei sollte man aber nicht vergessen, für welche Anhänger die eigene Führerscheinklasse geeignet ist: „Fahrer mit B-Führerschein dürfen ein Gesamtgewicht des Gespanns von 3,5 Tonnen nicht überschreiten.“ Daher zeichne die neue Generation von Freizeit-Mobilen gewichtsoptimierte Bauweise und Leichtbaulösungen aus, schließlich soll bei den meisten Mobilen die 3,5-Tonnen-Grenze nicht gesprengt werden, um den Markt nicht unnötig einzuengen.

Die Wiege der Caravan-Industrie steht im Allgäu

Der klassische Wohnwagen ist übrigens eine Erfindung „made in Germany“. Die Wiege der deutschen Caravan-Industrie steht im Allgäu. In der Voralpenlandschaft zwischen Donau, Lech und Bodensee konstruierte Arist Dethleffs 1931 das erste „Wohnauto“ Deutschlands für seine Familie. Bis heute wird die weitaus größte Anzahl aller Modelle aus dem Hause des deutschen Branchenführers in Isny gefertigt. Als Basis-Modell vieler Dethleffs-Mobile dient übrigens der Fiat Ducato. Der italienische Konzern ist derzeit Marktführer, was auch daran liegt, daß er seit Jahrzehnten mit dem französischen Autobauer Peugeot/Citroen im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge kooperiert und die baugleichen Modelle Boxer (Peugeot) und Citroën (Jumper) produziert.

Neben den Produktionen aus dem Hause Fiat buhlen Ford (Transit), Renault (Master) sowie die deutschen Hersteller Mercedes und VW um die Marktanteile. Die legendären und in Sammlerkreisen immer noch hochbeliebten VW-Produktionen der T-Serie, auch bekannt als VW-Bus, spielen heute keine große Rolle mehr. „Die romantische Vorstellung von früher, daß man einen VW-Bus einfach ein bißchen umbaut und damit auf Weltreise geht, läßt sich kaum mehr in die Realität umsetzen“, teilt der CIVD mit. Die meisten dieser Modelle müßten aufgrund der gestiegenen Umweltstandards erheblich nachgerüstet werden – ein teures und wenig rentables Unterfangen.

Dabei schrieb der VW-Bus eine echte deutsche Erfolgsgeschichte. Der T2 wurde bis 1979 im VW-Werk in Hannover hergestellt. Von den 2,5 Millionen in Deutschland produzierten Modellen wurden über zwei Drittel exportiert, der VW-Bus wurde zu einem Markenzeichen des deutschen Wirtschaftswunders. Heute kämpft VW mit dem Nachfolger T6 oder dem Crafter um zusätzliche Marktanteile. Bei der Erschließung neuer Zielgruppen spielen auch die Umweltstandards eine große Rolle.

Bei Caravans, die mehr als 2,8 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht besitzen, kommen die Lkw-Emissionsschlüssel zum Einsatz, es entstehen stattliche Kosten. „Wer mit dem Gedanken spielt, ein Wohnmobil zu kaufen, sollte vor allem bei einem Gebrauchtkauf auf die Emissionsklasse des Fahrzeugs achten“, sagt CIVD-Mann Rüttgers. Geschäftsführer Sternberg empfiehlt daher erst einmal ein Leihgeschäft. „Es gibt viele Kunden, die zuerst mal ein Fahrzeug mieten. Das schafft weniger Abhängigkeit, und man kann Dinge ausprobieren.“

Der „Caravan-Salon 2016“ läuft noch bis 4. September auf der Messe Düsseldorf:  www.caravan-salon.de

Caravaning Industrie Verband (CIVD):  www.civd.de