© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/16 / 02. September 2016

Haltungsnote
Bekenntnis zum Kreuz
Christian Rudolf

Toleranz, wenn sie nicht Beliebigkeit sein soll, gewinnt ihren Wert als Tugend erst dann, wenn man selbst einen festen Standpunkt hat und es nicht duldet, rote Linien zu verletzen. Einen Prachtkerl von Bürgermeister haben in der Beziehung die Bürger der ligurischen Stadt Rapallo. Carlo Bagnasco sagte ohne Umschweife nein; nein zu dem unerhörten Ansinnen eines jungen mohammedanischen Paares mit Wohnsitz im nahen Frankreich, das im Rathaus heiraten wollte und dazu doch aber bitte schön und gefälligst das Kruzifix aus dem dazu bestimmten Saal entfernt sehen wollte. Die Mutter des Bräutigams trug bei einer Besichtigung dem Personal diese Forderung vor. Der Bürgermeister, der darüber zu entscheiden hatte, entschied. Das Kreuz bleibt. „An die Wurzeln legt man nicht Hand an. An das Kreuz auch nicht“, begründete Bagnasco vor der Presse. „Es kränkt uns, daß unsere Religion so respektlos betrachtet wird.“ Sein Vize dazu: „In diesem Saal hängen auch religiöse Fresken. Was machen wir damit? Alle entfernen?“ Die Bürger des Badeortes, dessen Viertel sämtlich nach Heiligen benannt sind, lassen derweil ihr Stadtoberhaupt hochleben. Seit Bagnasco seine Entscheidung öffentlich verteidigte, prasselt ein Regen von Komplimenten und Danksagungen auf ihn herab.