© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Zeitschriftenkritik: Geo Epoche Panorama – Preußen
Glanzvolles Staatswesen
Werner Olles

Es war Joschka Fischer, der als Außenminister in seinem Dienstzimmer das Porträt Otto von Bismarcks abhängen ließ. Doch die Geschichtsvergessenheit im Hinblick auf Preußen hatte im westlichen Teil Deutschlands bereits viel früher begonnen, die Achtundsechziger an der Macht waren nur ihre radikalsten Vollstrecker. Schon der erste Kanzler der jungen Bundesrepublik, der Rheinländer und Katholik Konrad Adenauer, konnte mit Preußen herzlich wenig anfangen, es war ihm sogar unheimlich. Seine Abneigung gegenüber der „sibirischen Steppe“ – wie er sich ausdrückte – war legendär. Währenddessen praktizierte die DDR – vor allem im militärischen Bereich –, ein durchaus entspanntes Preußenbild, wenngleich auch das höchst selektiv geprägt war. Alles, was irgendwie an die „reaktionäre Junkerherrschaft“ erinnerte, wurde gnadenlos plattgemacht.

Erst die deutsche Wiedervereinigung rückte den Staat der Hohenzollern nach der Auflösung Preußens durch die alliierten Siegermächte 1947 wieder ins Zeitgeschehen und ins Bewußtsein der Deutschen. Von den einen als „aggressive Militärmaschine“ geschmäht, von den anderen wegen seiner effizienten Bürokratie gelobt, entwickelte sich langsam eine Art Mythos um ein Staatswesen, das nicht nur dreihundert Jahre deutscher Geschichte verkörperte – von der Selbstkrönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. über den vom preußischen Ministerpräsidenten Bismarck geschmiedeten ersten deutschen Nationalstaat bis zum Verhängnis des Ersten Weltkrieges –, sondern auch Aufstieg und Niedergang einer ebenso glanzvollen wie politisch und sozial bedeutenden Epoche.

Auf 126 Seiten erzählt die aktuelle Ausgabe (Nr. 8) der Zeitschrift Geo Epoche Panorama die Geschichte jenes „mythenumwobenen Staatswesens – von der Vereinigung seiner beiden Kernländer, der Mark Brandenburg und des Herzogtums Preußens, unter der Herrschaft der Hohenzollern 1618 bis zum Sturz der Dynastie in der Novemberrevolution, genau 300 Jahre später“ (Chefredakteur Michael Schaper in seinem Editorial). Den Großteil des Heftes machen dabei gemalte und gezeichnete Bilder aus, da die Fotografie noch ihrer Erfindung harrte. Die ersten Schwarzweißfotos zeigen dem Betrachter Impressionen aus einem stillen Land: eine ostpreußische Bäuerin beim Kartoffelschälen, eine Frau, die ihren Kahn durch einen Kanal des Spreewalds stakt, Arbeiter der Friedrich Krupp AG, der „Schmiede der preußischen Macht“, die die Streitkräfte der Hohenzollern mit Kanonen, Granaten und Panzerplatten ausrüstete. Ein neues Druckverfahren machte es ab 1875 möglich, Schwarz-weißfotos bunt einzufärben: Wir sehen den Naschmarkt von Breslau, nach Berlin die zweitgrößte Metropole Preußens, den Marinehafen Kiel, den Kurort Westerland auf Sylt, das pommersche Städtchen Kolberg, im Krieg gegen Napoleon stark zerstört, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein vielbesuchtes Seebad und das Ostseebad Zoppot in der Provinz Westpreußen. Es sind Bilder, die lange im Gedächtnis des Betrachters haften bleiben.

Kontakt: Gruner + Jahr Verlag, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. Das Heft kostet 13,50 Euro. 

 www.geo-epoche.de