© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Schwieriger Erkenntnis-Transfer in Sachen NS-Euthanasie
Geschichtspolitische Barrierefreiheit

Drei Jahre lang hat eine Gruppe von Medizinhistorikern aus Heidelberg, München und Berlin daran gearbeitet, Forschungsergebnisse zu Euthanasie und Zwangssterilisation in der Zeit des Nationalsozialismus in allgemeinverständlicher Form und doch wissenschaftlich einwandfrei öffentlich zu machen. Sichtbares Resultat der Arbeit ist der Gedenk- und Informationsort an der Berliner Philharmonie, gegenüber der einstigen Tiergartenstraße 4, wo die kurz nach Kriegsausbruch 1939 beschlossenen Krankenmorde organisiert wurden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte das Vorhaben als eines von vielen „Erkenntnistransfer-Projekten“, die komplizierte wissenschaftliche Sachverhalte der Öffentlichkeit vermitteln sollen. Ein Anliegen, das hier auf erhebliche Reserven trifft, weil die Frage im Raum steht, ob der nach 1933 stigmatisierten Gruppe der Behinderten heute zuzumuten sei, von 300.000 ermordeten und 350.000 sterilisierten Menschen zu erfahren. Auch sei, wie man auf dem Bonner Abschlußkolloquium des Projekts zu bedenken gab, „Barrierefreiheit in der Geschichtsvermittlung“ nicht zuletzt deshalb schwierig, weil noch immer keine Einigkeit darüber besteht, ob die Namen von Euthanasie-Opfern auf Gedenksteinen und in Gedenkbüchern genannt werden sollten (Deutsches Ärzteblatt, 19/2016).


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