© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/16 / 09. September 2016

Knapp daneben
Die Zahl der berenteten Minijobber nimmt stark zu
Karl Heinzen

Wer jahrzehntelang gearbeitet und nicht über seine Verhältnisse gelebt hat, soll seinen Ruhestand ohne finanzielle Sorgen genießen können. Dieses Ziel scheint der Sozialstaat heute immer noch im großen und ganzen zu erreichen. Altersarmut ist, so suggeriert jedenfalls die Alltagserfahrung, ein Randphänomen. Jeder kennt zwar ein paar ergraute Taugenichtse oder Pechvögel, die dem Staat oder Verwandten auf der Tasche liegen. Versager findet man aber in jeder Generation. Die meisten Alten können den Lebensstandard halten, an den sie sich vor der Pensionierung gewöhnt hatten. Manche horten sogar erhebliche Vermögenswerte, und da ihre Lebenserwartung steigt und steigt, kommt es oft erst dann zum Erbfall, wenn für die Kinder bereits die erste Pflegestufe vor der Tür steht.

Die meist kinderlosen Rentner bleiben heute länger fit, und es langweilt sie, immer nur zu faulenzen.

Eine Statistik des Arbeitsministeriums zeigt jedoch ein ganz anderes Bild als das des Rentners, der sorglos dem Müßiggang frönt. Ihr zufolge ist die Zahl der Ruheständler, die einem Minijob nachgehen, in den vergangenen zehn Jahren um 35 Prozent auf fast eine Million gestiegen. Für die sogenannten Sozialverbände, deren Geschäftsmodell die Vermarktung vermeintlicher Ungerechtigkeit ist, liegen die Gründe auf der Hand: Viele Alte müssen arbeiten, weil sie sonst nicht über das Existenzminimum hinauskämen.

Die Wirklichkeit dürfte aber anders aussehen. Rentner bleiben heute länger fit, und es langweilt sie, immer nur zu faulenzen. Oft haben sie keine Nachkommen, um die sie sich kümmern müßten. Ehrenamtliches Engagement verträgt sich nicht mit ihrer Lebenspraxis, in der gesellschaftliche Verantwortung nie eine Rolle spielte. 5.000 Euro im Jahr sind zudem ein netter Zuverdienst, von dem man sich zum Beispiel eine schöne Fernreise gönnen kann. Sollen etwa irgendwelche Studenten oder alleinerziehenden Mütter dieses Geld einstecken? Gerade Rentner mit Rücklagen können dieser Versuchung kaum widerstehen. Früher warfen ihre Wertanlagen noch Zinsen ab, die sie in ihrer Altersplanung fest einkalkuliert hatten. Heute müssen sie schon arbeiten gehen, um sich etwas Besonderes leisten zu können.