© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

Draufgänger mit eisblauem Blick
Volksidol: Zum 125. Geburtstag des Schauspielers und Sängers Hans Albers
Albrecht Klötzner

Vor 125 Jahren, 1891, wird Deutsch-Ostafrika offiziell deutsche Kolonie, beginnt der Bau der Transsibirischen Eisenbahn, die SPD beschließt ihr „Erfurter Programm“, und am 22. September wird in Hamburg Hans Philipp August Albers geboren. Bis heute einer der bekanntesten deutschen Schauspieler, dessen Lieder „La Paloma“ und „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ nach dem dritten Bier noch immer beim Feuerwehrball oder Gartenspartenfest angestimmt werden.

Angenommen, Hans Albers würde heute, 2016 nachts um halb eins, einen Reeperbahnbummel in St. Pauli machen – was würde er erleben? Ungewöhnlich viele Polizisten würden ihm auffallen, die gelbe Warnwesten tragen. Er würde in Überwachungskameras blicken, wäre womöglich nach Waffen durchsucht worden, was in der seit 2012 als „Waffenverbotszone“ eingestuften einstigen Prachtstraße anlaßfrei, geboren aus Angst vor Terror, Gewalt und Sex-Attacken, erlaubt ist. Eventuell hätte er auch sein Handy eingebüßt, weil es ihm von einem der vielen „südländisch“ aussehenden Straßenräuber beim Telefonieren entrissen worden wäre.

An der Westfront wurde er schwer verwundet

Ein Bummel der anderen Art als 1912, als der Reeperbahn-Walzer von Ralph Arthur Roberts für dessen Revue „Bunt ist die Welt“ komponiert und getextet wurde. Aber damals hieß der Polizist auch noch Schutzmann, und es hing keine Maschinenpistole vor der schußsicheren Weste. Maschinenpistolen gab es erst drei Jahre später und nur an der Front, an der auch der im Hamburger Stadtteil St. Georg in der Langen Reihe 71 geborene Sohn des Großschlächtereibesitzers Wilhelm-Philipp Albers schwer verwundet wurde. 1915 war er einberufen worden und fing sich als Soldat im Reserveinfanterieregiment 31 an der Westfront eine feindliche Kugel ein, die ihm das Bein zerschlug. Das war in Flandern. Verwundet liegt er stundenlang im Niemandsland zwischen den Fronten, ehe er geborgen wird. Der Lazarettarzt im Wiesbadener Krankenhaus gibt sein Bein verloren, doch Hans Albers wehrt sich gegen die Amputation.

Bereits 1917 steht er wieder auf der Bühne, geht nach Berlin und spielt im Theater am Kurfürstendamm. Hier lernt er auch Hansi Burg kennen – seine spätere Frau, derentwegen er noch viele Probleme bekommen wird. Der junge Albers wird reich. Er wohnt als Dauergast im feinen Hotel Adlon und ist deswegen vielleicht auch Vorbild für Udo Lindenberg, der ebenfalls als Dauergast im Hotel logiert. Das meiste Geld verdient Albers als Filmganove, etwa in „Weib in Flammen.“ Ein Kritiker beschreibt ihn als „Troubadour des 20. Jahrhunderts“, etwas farblos, „aber von gewinnender seelischer Blondheit“.

Zwischen 1917 und 1929 spielt Albers in 105 Stummfilmen mit. Mit ihnen verdiente er sein Geld. Die B.Z. am Mittag beschrieb ihn als Revue-Schauspieler so: „Er fällt ins Orchester, daß es kracht, stürzt in die Loge, daß es knallt, springt über ein halbes Dutzend Weiber, turnt am Kronleuchter. Und wenn er vom Kronleuchter in ein Wasserbecken stürzt, hinter die Bühne rennt und keine Minute braucht, um in trockener Garderobe wieder an die Rampe zu treten, dann gibt es im Saal kein Halten mehr.“

Albers – Lebemann und Tausendsassa. Immer einen Spruch wie diesen auf den Lippen: „Ein Optimist ist ein Mann, der ohne einen Pfennig Geld Austern bestellt, in der Hoffnung eine Perle zu finden, mit der er bezahlen kann.“

1929 dreht er „Die Nacht gehört uns“; der Film wird ein Kassenschlager Das Jahr darauf markiert seinen endgültiger Durchbruch. Albers ist im „Blauen Engel“ dabei, an der Seite von Marlene Dietrich und Emil Jannings. Kritiker und Regisseur Hans-Christoph Blumenberg urteilt 1991 in seinem Albers-Buch über diese Zeit: „Die Toupets, die er seit bald zehn Jahren tragen muß, sitzen inzwischen perfekt. Seine Augen leuchten wie Jupiterlampen, der eisblaue Blick duldet keinen Widerspruch. Sein Rollenfach ist der Draufgänger, ob als Offizier, Reporter oder Möbelpacker, ein Anarchist des Alltags, ein Desperado, der auf keine andere Fahne schwört als auf den frechen Wimpel der eigenen Unwiderstehlichkeit.“ Und Albers liebt neben den Frauen das Leben: „Auf dem Alkohol, den ich getrunken habe, hätte die Titanic fahren können“, sagte er einmal.

NS-Gegner rechnen nach dem Machtantritt Hitlers im Ausland mit dem urdeutsch aussehenden und auftretenden Schauspieler ab. „Jeder Zoll ein Naziführer“, ätzt der Philosoph Ernst Bloch 1934 im Exil. Und Klaus Mann, ebenfalls geflohener Schriftsteller, vernichtet ihn mit den Worten: „Albers, was für ein ekelhafter Bursche. Dasselbe Volk, das den Autor von ‘Mein Kampf’ zu seinem Führer, zu seinem Gott gemacht hat, quietscht vor Wonne, wenn Albers, der Unausstehlich-Unwiderstehliche, seine rohen Kunststücke zeigt. Wer sich diesen Liebling erkor, erkor sich auch solchen Führer: ein traurig klarer Zusammenhang.“

Dabei hielt Albers Distanz zu NS-Führern. „Er meidet offizielle Veranstaltungen. Bei der Verleihung des Staatspreises für seinen Film ‘Flüchtlinge’, ein stark propagandöses Produkt über die Wolgadeutschen, läßt er sich vertreten. Es gibt kein Foto, das ihn mit einer Nazigröße zeigt; anders als die meisten seiner Kollegen erhält er nie ein signiertes Bild des ‘Führers’. Hans Albers verachtet das System, das ihn auf Händen trägt“, schrieb Die Zeit anläßlich Albers’ 50. Todestages 2010.

Albers verläßt Berlin, zieht an den Starnberger See und meidet Preisverleihungen. Dennoch gerät er unter Druck. Der Grund ist seine nichtarische Lebensgefährtin Hansi Burg. Albers lenkt ein und schreibt 1935 an Goebbels: „In Erfüllung meiner Pflicht gegen den nationalsozialistischen Staat und in dem Bekenntnis zu ihm, habe ich meine persönlichen Beziehungen zu Frau Hansi Burg gelöst. Ich darf Sie, geehrter Herr Reichsminister, nunmehr bitten, daß unter der veränderten Sachlage der nationalsozialistische Staat auch mir den Schutz angedeihen läßt, den er seinen Künstlern gibt. Heil Hitler! Hans Albers“.

Eine Scheintrennung. Beide treffen sich weiterhin heimlich, die Treffen werden bekannt, Hansi Burg setzt sich in die Schweiz ab. Albers trinkt mehr denn je. „Kinder, ich finde alles ganz großartig, nur zwei Sachen müßten anders sein. Einmal müßte meine Hansi hier sein, denn die hat heute nur noch arisches Blut, nachdem ich jahrelang mit ihr zusammen war. Und dann reden Rundfunk und Zeitungen seit Jahren dauernd von Hindenburg und Hitler, da gehöre ich doch dazu, mein Name ist schließlich genauso bekannt“ ist ein Zitat, das aus dieser Zeit von ihm überliefert wurde.

Nach Hamburg kehrte er nicht mehr zurück

Am Filmset geriert er sich mehr und mehr als Diva, weigert sich beispielsweise Texte zu lernen. Die läßt er sich auf Tafeln präsentieren, von denen er sie abliest. Das erklärt den legendären Von-unten-nach-oben-Blick, der ihn als Schauspieler so beeindruckend erscheinen läßt. Flaschenweise soll er Cognac getrunken haben, ohne wirklich betrunken geworden zu sein.

1943 übernimmt Albers die Rolle des „Baron Münchhausen“, einem der ersten deutschen Farbfilme, der 6,6 Millionen Mark gekostet haben soll. Im Jahr darauf folgt „Große Freiheit Nr. 7“ von Helmut Käutner; der Film darf jedoch erst nach Kriegsende in Deutschland gezeigt werden.

Dauerfreundin Hansi Burg kehrt nach Kriegsende aus dem Exil zurück. Albers dreht nach dem Krieg fünfzehn weitere Filme. Unter anderem „Der letzte Mann“ mit der blutjungen Romy Schneider. Darin mimt er einen Oberkellner, der sich vom neuen Hotelchef demütigen lassen muß, sich aber nicht unterkriegen läßt: „Treue wird belohnt, auch über das Grab hinaus.“

Bis zu seinem Tod am 24. Juli 1960 bleibt Albers an der Seite von Hansi Burg am Starnberger See. Er soll sich Hafengeräusche und Schiffshörner über Tonband angehört haben, wenn die Sehnsucht nach Hamburg wieder einmal sehr groß war. „Heimat ist da, wo einer stirbt – nicht da, wo er lebt. Und wenn die Reihe mal an mir ist, dann soll es Hamburg sein“, sagte Albers einmal. Dieser Wunsch blieb unerfüllt.