© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

CD-Kritik: Shakespeare Songs
29 von Tausenden
Jens Knorr

Immer noch schreibt Shakespeare unsere Stücke. Schreibt er auch unsere Lieder? Den vielen Liedern, die integrale Bestandteile des elisabethanischen Theaters und insbesondere aller Stücke des größten Elisabethaners sind, stehen ihre vielen Vertonungen nicht nach. Ian Bostridge und Antonio Pappano haben aus Tausenden 29 ausgewählt, angefangen bei Shakespeares Zeitgenossen und endend bei den fast unsern.

Aus dem jeweiligen Handlungskontext herausgebrochen, führen sie, die über vier Jahrhunderte Komponisten stets neu inspirierten und inspirieren, längst ihr autonomes Leben im Konzertsaal. „It was a lover“ haben Morley und Finzi, „Come away, death“ haben Quilter, Korngold und wieder Finzi, „Where the bee sucks“ haben Johnson und Tippett, und „Who is Silvia“ haben Finzi zum dritten und Schubert – hier nicht auf die Übersetzung des Schubert-Freundes Eduard von Bauernfeld, sondern auf den englischen Originaltext gesungen – jeweils andere Bedeutungen abgehört oder unterlegt.

Bostridge, den Kopfklang bis ins mittlere Register ziehend, verfolgt die Wandlungen, denen die Texte in ihrem Gang durch die Jahrhunderte unterworfen waren. Doch erscheint der gewählte Ausschnitt zu eng, um je zeitlich und lokal unterschiedliche Shakespeare-Rezeptionen miteinander in Dialog treten zu lassen. Mehr wäre mehr gewesen. 

Shakespeare Songs  Ian Bostride, Antonio Pappano u.a. Warner Classics, 2016  www.ian-bostridge.de