© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

Eine vom Ressourcenfluch ausgelöste Abwärtsspirale
Der Tschad und die Globalisierung – Erdölproduktion, Bodenvergiftung und Ernterückgänge bedingen einander
Dirk Glaser

Im afrikanischen Tschad verläuft die Globalisierung wie überall in die falsche Richtung. Seit 2003 ist die frühere französische Kolonie mit 100.000 Fässern Tagesproduktion zum zehntgrößten Erdölproduzenten Afrikas aufgerückt. Ressourcen im Umfang von 1,5 Milliarden Barrel (159 Liter) sollen noch zu erschließen sein. Die sprudelnden Einnahmen sind bisher jedoch nicht in die Entwicklung des bettelarmen Landes, in Straßen, Brücken, Brunnen oder Schulen, geflossen. Stattdessen leidet das doppelt so groß wie Frankreich und arabisch geprägte Land nach dem „Vorbild“ des führenden afrikanischen Öl-Exporteurs Nigeria unter dem „Ressourcenfluch“ (Forschung 1/16).

Da der Staat nicht mehr von der Produktion in anderen Wirtschafssektoren abhängig ist, prägt die politische Klasse eine Rentnermentalität aus, streicht passiv die Profite ein und leitet sie auf Privatkonten weiter. Extrem hohe Gewinne weniger gehen darum automatisch mit der Verarmung vieler einher. Die Hallenser Ethnologin Andrea Behrends, Leiterin des DFG-Forschungsprojekts „Erdöl und sozialer Wandel im Tschad“, zeigt auf, daß es mit Verarmung durchaus nicht sein Bewenden hat. Denn das Versprechen der Regierung, neue Erdölförderung und alte Landwirtschaft harmonisch zu kombinieren, sei ein Hohn auf die tatsächlichen Verhältnisse, die von der Trias „vergiftete Böden, ausgehöhltes Landrecht und gesellschaftliche Verwerfung“ gekennzeichnet seien.

Die Idee der Planer und Ingenieure ging von relativ kleinen Anlagen und unterirdisch verlegten Pipelines aus, um weiträumige Umsiedlungen in Fördergebieten zu vermeiden und die Bewirtschaftung der Felder zu garantieren. Doch diese Koexistenz unterschiedlicher Wirtschaftsformen war nicht zu realisieren, da die Wiederherstellung der Felder nach Bohrabschluß nie gelang. Die Böden im Umkreis von inzwischen weit über 1.000 Bohrquellen sind daher dauerhaft durch Chemikalien vergiftet, was Ernterückgänge in der Erdölregion bedingte, die wiederum erhöhte Nahrungsmittelpreise nach sich zogen. Obwohl diese vom „Ressourcenfluch“ und Umweltzerstörung ausgelöste Abwärtsspirale offenkundig in sozialer Destabilisierung endet, meint Behrends, die „Dynamik dieser folgenreichen Entwicklungen für das Zusammenleben im Tschad ist noch offen“.

Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft Forschung (1/16):  www.dfg.de