© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/16 / 16. September 2016

Umwelt
Christliche Symbolik
Volker Kempf

Die Bekanntheit vieler Vögel beruht auf ihrer Symbolik. So zählen Adler seit der Römerzeit zu den häufigsten Wappentieren. Sie stehen für Kraft und Erhabenheit. Der Storch gilt als Glücksbringer, der die Kinder bringt. In Japan steht der Kranich für das Glück eines langen Lebens. Eine spezielle Symbolik weist der vom Naturschutzbund (Nabu) ernannte und auch vom Landesbund Vogelschutz Bayern sowie BirdLife Österreich übernommene „Vogel des Jahres 2016“ auf: der Stieglitz. Der Carduelis carduelis aus der Familie der Finken mit dem elfenbeinfarbenen Schnabel trägt ein auffallend buntes Gefieder und wirkt dadurch exotisch. Der Vorderkopf ist rot, dahinter hellgrau und schwarz; die Flügel mit einer Spannweite bis zu 25 Zentimeter sind schwarz und gelb, der Körper grau und hellbraun. Der Stieglitz liebt Disteln, was den Volksnamen Distelfink erklärt.

Es reicht, dem Stieglitz Disteln im Garten stehen zu lassen, um ihn willkommen zu heißen.

Seine Affinität zu Disteln macht ihn zu einem christlichen Symboltier, das an die Passion und den Opfertod Jesu erinnert. Während Vogelschutzvereine gerne Spenden für den Erhalt der Lebensräume von Vögeln sammeln, erinnert der Stieglitz daran, daß Vogelschutz gar nichts kostet. Es reicht, dem Stieglitz Disteln im Garten stehen zu lassen, um ihn willkommen zu heißen. Seine Anwesenheit ist mit Ausnahme der Mauserzeit durch einen Gesang das ganze Jahr über vernehmbar und wird von Ornithologen als hastig gezwitscherte Strophe beschrieben, welche unter pendelnden Bewegungen vorgetragen wird und mehrere Triller und Schnörkelfolgen beinhaltet. Die Wahl des Stieglitz zum Vogel des Jahres soll daher auf den fortschreitenden Strukturverlust in unserer Kulturlandschaft aufmerksam machen und für mehr Artenvielfalt und Farbe in Agrarräumen und Siedlungsbereichen werben.