© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/16 / 23. September 2016

Nationalsozialismus und arabische Welt: Nicht ideologisch, sondern pragmatisch
Komplexe Gemengelage
(ob)

Unter dem Rubrum „Antisemitische Internationale“ erlebt die Erforschung der diplomatischen und kulturpolitischen Beziehungen des Deutschen Reiches zur arabischen Welt seit langem eine bemerkenswerte Konjunktur. Ob die Islam und Nationalsozialismus gemeinsame Feindschaft gegen das „Weltjudentum“ im allgemeinen und die jüdische Landnahme in Palästina im besonderen tatsächlich die Basis der nach Kriegsausbruch 1939 enger geknüpften Verbindung bildete, ist für den Hallenser Doktoranden Hans Goldenbaum (Max Planck Institute for Social Anthropology) jedoch in Zweifel zu ziehen. Anhand neuer Quellen aus dem Zionistischen Zentralarchiv in Jerusalem und aufgrund der kritischen Sichtung umfangreicher, auch die „Selbstmobilisierung“ der deutschen Orientalistik berücksichtigender Forschungsliteratur gelangt Goldenbaums Analyse der arabisch-sprachigen NS-Rundfunkpropaganda und ihrer Rezeption in Nahen Osten zu einem differenzierteren Bild (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 3/2016). Obwohl die Erfassung der komplexen Gemengelage des antiimperialistischen, arabisch-nationalistischen und antizionistischen Diskurses noch erheblicher Anstrengungen bedürfe, scheine festzustehen, daß die NS-Aktivitäten nicht ideologisch, sondern „ausschließlich“ pragmatisch motiviert, auf Instrumentalisierung des Islam gerichtet waren. 


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