© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/16 / 23. September 2016

Frisch gepresst

Rußlandkrieg I. Die im Rücken der Ostfront, im heutigen Weißrußland, eingesetzte 707. Infanteriedivision (ID) stand in den neunziger Jahren im Mittelpunkt einer beinahe SED-Mustern folgenden geschichtspolitischen Kampagne, die einen Zusammenhang zwischen Wehrmacht und dem Massenmord an der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Territorien der Sowjet­union stiftete. Den Divisionskommandeur, Generalmajor Gustav von Bechtoldsheim, klagte Hannes Heer, der wegen seiner Rolle bei der Gestaltung von Jan Philipp Reemtsmas „Wehrmachtsausstellung“ damals bekannteste und aggressivste historische Scharfrichter, kurzerhand als „Organisator des Holocaust“ an. Gut zehn Jahre, nachdem der „Fall“ der 707. ID mit Heers scheinbar eindeutigem Urteil abgeschlossen wurde, hat der Zeithistoriker Stefan Scheil die Akten nochmals akribisch überprüft. Mit dem Resultat, daß das auffälligerweise bald nach der Wiedervereinigung entstehende, bis heute gültige, extrem negative Bild von der „verbrecherischen“, „faschistischen“ Wehrmacht von dem prototypischen Alt-SDSler Heer, einem Quellenfälscher und Geschichtsklitterer, geformt worden ist. (rs)

Stefan Scheil: 707. Infanteriedivision. Strafverfolgung, Forschung und Polemik um einen Wehrmachtsverband in Weißrußland. Helios Verlag, Aachen 2016, gebunden, 120 Seiten, 19,80 Euro





Rußlandkrieg II. Bemerkenswerte Gleichzeitigkeit: Wie Stefan Scheil hat auch der Historiker Walter Post die vorgebliche Beteiligung der 707. ID an „Holocaust und Judenaktionen“ zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht. Stellt Scheils Studie eine schneidige quellenkritische Dekonstruktion der geschichtspolitischen Inszenierung dar, in der die Division eine exemplarische Hauptrolle spielt, stellt Post deren Geschichte in den größeren Rahmen des fast dreijährigen gegen Partisanen geführten Kampfes in der westlichen Sowjetunion. Didaktisch besonders verdienstvoll ist dabei seine ausführliche Einleitung zu den in der öffentlichen Debatte regelmäßig ignorierten völkerrechtlichen Kautelen des Partisanenkampfes. Im Ergebnis stimmt Post mit Scheil überein: Auch bei ihm endet das zur Wiedervorlage gekommene Verfahren gegen die Division mit einem ungleich freundlicheren Ergebnis als bei Hannes Heer. (rs)

Walter Post: Wehrmacht und Holocaut. War das Heer 1941 an „Judenaktionen“ beteiligt? Verlag Pour le Mérite, Selent 2016, gebunden, 316 Seiten, Abbildungen, 25,95 Euro