© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Ein General soll’s richten
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Nach dem Rücktritt von Markus Meckel führt Wolfgang Schneiderhan interimistisch die Geschäfte
Michael Paulwitz

Die angekündigte Abschiedsrede hielt Markus Meckel dann doch nicht mehr. Bis zuletzt hatte der SPD-Politiker einen Rückzug vom Amt des Präsidenten des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, das er knapp drei Jahre lang innegehabt hatte, abgelehnt. Einen Tag vor dem außerordentlichen Bundesvertretertag, auf dem über seine Abberufung entschieden werden sollte, erklärte Meckel seinen Rücktritt (JF 39/16). Zu eindeutig wäre wohl das Ergebnis ausgefallen, nachdem zuletzt keiner der 16 Landesvorsitzenden mehr vorbehaltlos hinter ihm stand.

Der gescheiterte Versuch, die vom Vertrauen der Landesfürsten getragene Generalsekretärin Daniela Schily zu entmachten und im Verband durchzuregieren, hatte den Präsidenten letztlich zum Aufgeben veranlaßt. Eine auf Juli datierte „Vereinbarung“ zwischen beiden weist mehr strittige Punkte als Übereinstimmungen auf. Bei einem Berliner Rechtsanwalt hatte Meckel ein Gutachten in Auftrag gegeben, das seine Interpretation der Satzung stützen und ihm eine „ungewöhnlich starke Rolle“ zuschreiben sollte.

Aus einer internen Gegen-Stellungnahme, die der JF vorliegt, geht hervor, daß Meckels Selbstverständnis als „geschäftsführender Präsident“ schon das Verhältnis zum vorherigen Generalsekretär belastet hatte. Laut Satzung führe weder Präsident noch Generalsekretär, sondern der Bundesvorstand die Geschäfte, der Präsident sei lediglich Erster unter Gleichen. „Der Vorstand führt, die Generalsekretärin leitet, der Präsident sorgt und wacht“ über die Durchführung und Einhaltung der Beschlüsse – das gehe nur bei gegenseitigem Respekt und Kooperationswillen. 

Der war vor allem deswegen gestört, weil Meckel dem Verband im Alleingang eine neue Ausrichtung verordnen wollte – stärker an der offiziellen „Erinnerungskultur“ und „Gedenkpolitik“ ausgerichtet und aus öffentlichen Mitteln finanziert, wie er in einer umstrittenen „Denkschrift“ vom Juni des Jahres ausführt, und mit einer „Jugendarbeit“, in deren Kontext viel von volkspädagogischer Vergangenheitsaufarbeitung, „Friedens- und Demokratiearbeit“ die Rede ist.

Heraus aus der „Ecke der Ewiggestrigen“ 

Auch die Kriegsgräberstätten im Ausland wollte Meckel gedenkpolitisch instrumentalisieren. Daß der Bundesvorstand sein Vorhaben gestoppt hat, die Politisierung des Gedenkens mit neuen Erinnerungstafeln sichtbar zu machen, die auf „Täter“ und „Opfer“ hinweisen sollten, hat ihn offenbar besonders getroffen. Kristallisiert hatte sich der Konflikt zwischen Meckel und der Mehrheit der Verbandsvertreter, die geschichtspolitische Bewertungen aus der Arbeit des Volksbundes heraushalten wollten, in der von Meckel vorgelegten Formulierung eines neuen „Leitbildes“, das den Zweiten Weltkrieg als „Angriffs- und rassistisch motivierten Vernichtungskrieg“ bezeichnete. 

Der Widerstand habe ihn „überrascht“, schließlich seien „solche Formulierungen heute in Deutschland über alle Parteigrenzen hinweg Konsens“, schrieb Meckel eine Woche vor dem Vertretertag in einem Brief an die Delegierten – er hätte „nie erwartet, daß das im 21. Jahrhundert noch diskutiert werden kann“, bekräftigte er nach seinem Rücktritt in einem Interview. Die schließlich vom Präsidium gebilligte und von den Verbandsvertretern verabschiedete Fassung formuliert gleichwohl deutlich differenzierter. Mit seiner Fixierung auf den parteipolitischen Betrieb hat der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete, der den Anspruch erhoben hatte, den Volksbund aus der „Ecke der Ewiggestrigen“ herauszuführen und ihm mit seinem Scheitern dieses Etikett quasi umhängt, gleichwohl viel Porzellan zerschlagen. 

Sein bisheriger Vize, General a.D. Wolfgang Schneiderhan, der bis zur Neuwahl in einem Jahr interimsweise die Präsidentschaft übernimmt, hat einiges zu kitten. Den „Reformprozeß“ wollen die Delegierten fortsetzen. Dabei wird es wesentlich um die Sicherung der finanziellen Grundlagen gehen. Viele Kritiker hatten Meckel verübelt, daß er die drohende Zahlungsunfähigkeit an die Wand gemalt hatte, um die Politisierung des Verbandes zur Erschließung öffentlicher Subventionen zu rechtfertigen. Einen Rückgang der Beiträge und Spenden könne man nicht feststellen, widerspricht Schneiderhan seinem Vorgänger – ein Signal, daß der Volksbund gewillt ist, seine Unabhängigkeit auch weiterhin zu wahren.