© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Schwarze Haare für die Götter
Globalisierung: Zwischen Indien und Brasilien ist ein Handelsstreit um Perücken ausgebrochen
Richard Stoltz

Nachricht aus den Hinterhöfen der Globalisierung: ein bitterer Handelsstreit zwischen Indien und Brasilien ist ausgebrochen, Brasilien hat einen Extrazoll auf die Einfuhr indischer Perücken erlassen, und Indien empfindet das als einen Eingriff in seine Volkswirtschaft, wo die Perückenproduktion zur Zeit guten Profit abwirft.

Indienreisende erzählen, daß in dem Land, von Bombay bis Madras, unzählige hübsche, aber glatzköpfige Mädchen herumspazieren, die ihre Haarlosigkeit nicht einmal verlegen unter Kopftüchern verstecken, sie vielmehr stolz vorzeigen. Denn sie haben ihr Haar, wie es heißt, freiwillig den Göttern, Brahma, Wischnu, Schiwa, „geopfert“. Indem sie sich in diversen Klöstern unter Gebeten völlig kahlscheren ließen.

Die Klosterbrüder ihrerseits sind darangegangen, das feine, diskret duftende, „garantiert naturbelassene“ Mädchenhaar zu schönen Perücken zu verarbeiten, übrigens nicht nur mit Blick auf weibliche Kunden, sondern gleichermaßen auf männliche. Das Geschäft blüht und hat inzwischen nicht nur so manches Kloster reich gemacht, sondern auch die gesamtstaatliche Handelsbilanz spürbar verbessert.

Brasiliens schnöder Importzoll, so klagen alerte Perückenmönche, habe zwar empfindliche Einschnitte gebracht, doch sei es gelungen, die Verluste durch wachsenden Export nach Südafrika und Italien auszugleichen. Mit Deutschland laufe das Geschäft leider nicht so gut, weil dort fast nur blonde Perücken verlangt würden; der indische Markt liefere jedoch nur schwarze.

Deshalb also ein Aufruf an alle Kunden hierzulande: „Deutsche, kauft mehr naturbelassene schwarze Perücken aus Indien! Brahma, Wischnu und Schiwa werden es euch danken.“