© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/16 / 30. September 2016

Zeitschriftenkritik: Tumult
Grenzen stiften Vielfalt
Thorsten Thaler

Wir leben in unsicheren Zeiten. Der zunehmende islamistische Terror in Europa führt dazu, „daß Schmerz und Tod uns jederzeit und überall ereilen können“, schreibt Frank Böckelmann im Editorial der Herbst-Ausgabe der von ihm verantworteten Zeitschrift Tumult. „Gegenüber den postreligiösen Gesellschaften Europa bringt sich ein gespenstisch frommer Feind in Stellung, eine heimtückische Hydra, deren Angriffsverhalten einer bösartigen Lotterie gleicht“, so der Herausgeber der „Viertelsjahresschrift für Konsensstörung“ (Untertitel). Auf diese wachsende Terrorgefahr reagierten wir mit einem erhöhten Sicherheitsverlangen. Die Vorwarndienste seien auszubauen, die Daten europaweit abzugleichen. Doch das Gefühl der Unsicherheit werde durch polizeiliche Maßnahmen sowie die Dauerüberwachung des gesamten Internet-, Telefon- und Reiseverkehrs nicht weichen. Sicherheitslücken zu schließen schärfe das Gespür für weitere Lücken, meint Böckelmann. Außerdem: „Den ersten Zug macht immer der Feind.“

Der Autor empfiehlt ein dezidiert politisches Handeln. „Schließen wir zunächst mit der Unsicherheit Frieden, akzeptieren wir die terroristische Bedrohung als Normalzustand (…) und begreifen, was aller Voraussicht nach auf uns zukommt: Millionen und Abermillionen auf dem Weg zum kleinen Kontinent Europa.“ Wenn die europäischen Staaten als politische Einheiten überleben wollten, müßten sie sich dazu aufraffen, dem Absehbaren zu wehren. „Allein daß wir erstmals eine gemeinsame Haltung hätten und andere wüßten, daß wir sie haben, würde uns mehr Sicherheit geben“, schreibt Böckelmann.

Der Kulturwissenschaftler Peter J. Brenner plädiert in seinem folgenden Beitrag für Grenzziehungen: „Die Fähigkeit, Grenzen zu ziehen, physische wie kulturelle, gehört zu den ersten Kulturleistungen der Menschheit. Grenzen schützen, Grenzen stiften Identität, Grenzen erzeugen und bewahren kulturelle, sprachliche und ethnische Vielfalt. (…) Eine Gesellschaft, die mutwillig ihre Grenzen öffnet, gibt sich dem Untergang preis.“

Der „Wiederkehr des Verdrängten“ widmet sich der Bevölkerungswissenschaftler Josef Schmid. „Das Ineinandergreifen von Volk, Nation und Nationalstaat sei „der Schlüssel zum Verständnis von Ländern, ihrer Stabilität, Kapazität und ihrer Empfindlichkeiten“. Derzeit sei eine „Konterrevolution im Gange gegen den liberalen Globalismus und die multikulturelle Auflösung von schützenden und vertrauten Ordnungsmächten“.

In weiteren Aufsätzen untersuchen Martin Mosebach den Begriff „Toleranz“ bei Christen, Muslimen und Juden sowie im Verhältnis untereinander und Siegfried Gerlich die charakterliche Disposition der Deutschen mit Blick auf ihre Umerziehbarkeit. Ulrich Schacht reflektiert den ethischen Totalitarismus seit der Aufklärung, Till Kinzel empfiehlt die Lektüre des Philosophen Panajotis Kondylis als „Akt geistiger Hygiene“ und „Einübung in die Freiheit des Geistes“.

Kontakt: Frank Böckelmann, Nürnberger Straße 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 8 Euro, ein Jahresabo für vier Ausgaben 32 Euro.

 www.tumult-magazine.net