© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

Unbekannt versandet
Bundeswehr: Noch immer hat die Truppe kein Konzept für ihre Veteranen
Peter Möller

Die Bilanz der Amtszeit Thomas de Maizières als Verteidigungsminister gilt bestenfalls als durchwachsen. In Erinnerung geblieben ist von der Ära des CDU-Politikers im Berliner Bendlerblock vor allem die spektakuläre Millionenpleite der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“, die ihm fast das Amt gekostet hätte. Bei vielen aktiven und vor allem ehemaligen Soldaten hat de Maizière dennoch ein Stein im Brett. Denn 2011 bezeichnete er Soldaten, die an einem Auslandseinsatz der Bundeswehr teilgenommen hatten, in einer Rede erstmals als Veteranen. Damit war der Grundstein gelegt für die Diskussion über eine Würdigung und Anerkennung der Leistungen der Soldaten der Bundeswehr, wie sie in den meisten anderen Ländern selbstverständlich ist.

Anfang 2012 legte Thomas de Maizière nach und präsentierte ein sechsseitiges Diskussionspapier mit Vorschlägen für die „gesellschaftliche Würdigung“ der aktiven und ehemaligen Soldaten mit Einsatzerfahrung. Darin verwies der CDU-Politiker explizit auch auf die Tradition des Veteranenwesens bei den Verbündeten und brachte unter anderem die Gründung spezieller Veteranenheime ins Gespräch sowie ein Abzeichen, das Veteranen an der Uniform oder der Zivilbekleidung tragen sollten. Zudem regte de Maizière einen Sonderbeauftragten für einsatzerfahrene Soldaten an. Ein weiterer Punkt in der Denkschrift war die Stiftung eines jährlichen Veteranentages als „Geste der Anerkennung“, für den in dem Papier der 22. Mai vorgesehen war.

Auch im Ende 2013 geschlossenen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD war die Würdigung der Veteranen der Bundeswehr ein Thema. Doch danach geriet das Thema schnell wieder ins Abseits. Einzig der Veteranentag wurde 2014 erstmals begangen – allerdings nicht als offizielle Veranstaltung der Bundeswehr, sondern auf Initiative des Bundes Deutscher Veteranen. Ansonsten ist fünf Jahre nach Beginn der Diskussion über eine Veteranenpolitik von den Überlegungen de Maizières kaum etwas umgesetzt worden. Das im Sommer veröffentlichte neue Weißbuch der Bundeswehr (siehe Seite 18) kommt über den dürftigen Satz „Sie trägt Sorge für ihre ehemaligen Soldatinnen und Soldaten“ nicht hinaus.

„Wir haben immer noch kein Veteranenkonzept“, zieht der ehemalige Zeitsoldat und Kapitänleutnant der Reserve Björn Schreiber denn auch ernüchtert Bilanz. Schreiber hatte Anfang des Jahres gemeinsam mit seinem Offizierskameraden Marcel Bohnert das Buch „Die unsichtbaren Veteranen“ (JF 12/16) herausgegeben und damit die Problematik einer breiteren Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen.

Ein offizieller Status       könnte vieles erleichtern

Für viele ehemalige Soldaten geht es bei der Diskussion nicht darum, sich ein schickes Veteranenabzeichen ans Revers heften zu können, sondern um gesellschaftliche Anerkennung ihrer Leistungen und – für die Betroffenen meist noch wichtiger – die Frage der Versorgung von Soldaten, die während der Einsätze verletzt wurden oder unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Der offizielle Status eines Veteranen könnte hier einiges leichter machen, hoffen die Betroffenen. 

Auch Schreiber rückt die Versorgungsproblematik in den Vordergrund und verweist auf die teilweise langjährigen Gutachterverfahren zur Anerkennung von Wehrdienstbeschädigungen. „Zwei bis drei Jahre sind keine Seltenheit, aber ich habe auch schon Verfahren erlebt, die sich bis zu fünf Jahre hingezogen haben“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Zudem würden immer noch externe und zum Teil fachfremde Gutachter herangezogen.

Derweil haben sich das Verteidigungsministerium und die teilweise untereinander konkurrierenden Veteranenverbände noch nicht einmal darauf geeinigt, wann ein Soldat überhaupt als Veteran bezeichnet werden kann. Gilt diese Bezeichnung als Sammelbegriff für alle ehemaligen Soldaten – oder nur für die, die an einem Auslandseinsatz, gar an einem Gefecht teilgenommen haben? Ende vergangenen Jahres diskutierte der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant Markus Kneip, diese Frage bei einem eigens anberaumten Treffen mit den Wehrverbänden. Doch die dabei vorgeschlagene Unterscheidung zwischen „Veteranen“ und „Einsatzveteranen“ stieß auf wenig Begeisterung, schnell war die Rede von einem „Zwei-Klassen-Modell“. 

Mitte Oktober könnte das Thema zurück auf die politische Tagesordnung kommen. Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) wird dann über einen entsprechenden Antrag des schleswig-holsteinischen CDU-Nachwuchses beraten. Darin fordert die Nord-JU unter Berufung auf den Koalitionsvertrag, noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr ein umfassendes Veteranenkonzept zu „realisieren“. Als Veteranen sollen nach den Vorstellungen der JU in Abgrenzung zu „Soldaten und Reservisten“ nur Bundeswehrangehörige gelten, die in „Krisen- und Kriegsgebieten“ gedient haben. Auch eine Beschleunigung beziehungsweise Abschaffung des Gutachterverfahrens sowie ein umfangreiches Betreuungswesen stehen auf der Wunschliste des CDU-Nachwuchses. Alle diese Forderungen, inklusive des Rufs nach einem „Beauftragten für Veteranenangelegenheiten“, fanden sich so oder ähnlich auch schon in de Maizières Denkschrift von 2012. Die Diskussion über eine deutsche Veteranenpolitik, so scheint es, ist auch inhaltlich in den Startlöchern steckengeblieben.