© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/16 / 07. Oktober 2016

Aus Kollegen werden Gegner
In der Flüchtlingsfrage tut sich ein Riß auf zwischen „Zeit“-Chef Giovanni di Lorenzo und seinem Stellvertreter Bernd Ulrich
Werner Müller

Das Verhältnis zwischen Giovanni di Lorenzo, dem Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit, und seinem Ressortleiter Politik, Bernd Ulrich, sorgt für hektisches Rascheln im deutschen Blätterwald. Über Jahre galten beide als perfektes Team. Sie arbeiteten bereits beim Berliner Tagesspiegel zusammen, und die einzige Frage, die sich in der Vergangenheit stellte, war die, ob Ulrich einmal di Lorenzos Nachfolge antreten werde oder diesen zu seinem nächsten Projekt mitnehmen würde. 

Mit so viel Vertrautheit scheint es allerdings vorbei zu sein. Die Positionierung in der Flüchtlingsfrage sorgt beim Hamburger Medienhaus für Verdruß. Mehrfach hatte sich di Lorenzo von jener Ausgabe distanziert, die Anfang August vorigen Jahres mit der Titelzeile „Willkommen“ erschienen war. Der Chefredakteur hatte damals gesagt, er hätte am liebsten seinen Urlaub abgebrochen, als er diese Schlagzeile gelesen habe. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier erklärte süffisant, es sei „eine besondere Form der Selbstkritik, bei der der Chefredakteur öffentlich feststellt, wie sehr seine Zeitung mißrät, wenn er sich urlaubsbedingt nicht um sie kümmern kann“.

Auch AfD-Vize Alexander Gauland, als ehemaliger Herausgeber der Märkischen Allgemeinen ein alter Fuchs im Mediengeschäft, legte den Finger gleich in die Wunde. Er wertete di Lorenzos Kritik am eigenen Blatt als Beleg für die Unausgewogenheit deutscher Medien und sprach dabei von „einer Schere im Kopf“, die dieser festgestellt habe. Der Zeit-Chef bemühte sich zwar umgehend zu versichern, er habe das „so nie gesagt“, gestand aber ein, daß er „die Euphorie in der Flüchtlingsfrage für naiv“ hält. Einen Dissens mit seinem Stellvertreter sehe er aber nicht. 

Bernd Ulrich hingegen bestätigte sehr wohl, daß es gravierende Unterschiede in gewissen journalistischen Einschätzungen gebe: „Aber wir diskutieren das alles aus.“ Die Prozesse seien fruchtbar und konstruktiv. Noch, möchte man hinzufügen.