© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Nichts Genaues weiß man nicht
Steuerzahler-Schwarzbuch: Die aktuellen Beispiele der öffentlichen Verschwendung lassen bei den Flüchtlingskosten Schlimmes erwarten
Christian Schreiber

Vorige Woche hat der Bund der Steuerzahler sein jährliches „Schwarzbuch“ vorgestellt, welches zum 44. Mal die schlimmsten Fälle der „öffentlichen Verschwendung“ auflistet. Manches ist lustig, anderes grotesk, aber am Ende muß der Bürger die Zeche zahlen. Erneut werden mehr als hundert typische Fälle dokumentiert. „Wieviel Steuergeld jedes Jahr verschwendet wird, kann niemand umfassend berechnen, aber es kommen mit Sicherheit Milliardenbeträge zusammen“, erklärte der Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), Reiner Holznagel.

Es hätte günstigere und bessere Alternativen gegeben

Ebenfalls nicht genau beziffern können die Regierenden im Bund, den Ländern und Gemeinden auch die gigantischen Kosten, die durch Angela Merkels Kanzlerentscheid, in „Notsituationen ein freundliches Gesicht“ zu zeigen, entstanden sind. Immerhin listet das Schwarzbuch bereits einige verschwenderische Beispiele aus den vergangenen Monaten auf, die nur die Spitze des Eisbergs sind. So zahlte Lübeck monatlich mehr als 200.000 Euro Mietkosten für die Unterbringung von Flüchtlingen in heruntergekommenen Objekten: „Aus einer Situation wissen windige Geschäftemacher Profit zu schlagen“, schreiben die BdSt-Autoren, dabei „hätte es günstigere und bessere Alternativen gegeben“.

Die gab es wohl auch in einem weiteren Fall in der Hansestadt. Lübeck ließ sechs Häuser für 363 Flüchtlinge neu bauen, die nach zehn Jahren wieder abgerissen werden müssen. Kostenpunkt 8,3 Millionen Euro. „Der Neubau von Häusern, die nach zehn Jahren wieder abgerissen werden müssen, ist eine Verschwendung von Ressourcen, nicht nur in finanzieller Hinsicht“, so der BdSt.

Und dies sind beileibe keine Einzelfälle. Im hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg haben 17 Bürgermeister im Oktober 2015 aus Anlaß der Flüchtlingskrise für 1,27 Millionen Euro 86 Wohncontainer bestellt. „Daß hier erheblich am Bedarf vorbeigeplant wurde, zeigt die Zwischenbilanz vom Sommer 2016: Nur zehn Container wurden angeschlossen“, lautet die Bilanz. Ebenfalls um Fachkräfte von übermorgen unterzubringen, ließ Sachsen-Anhalt in Genthin über den zuständigen Landesbetrieb Bau- und Liegenschaftsmanagement einen leerstehenden Supermarkt anmieten. Bereits bei Anmietung war allerdings klar, daß eine schnelle Nutzung als Asylunterkunft unmöglich ist. Denn aufwendige und zeitintensive Umbauarbeiten der Sanitär- und Brandschutzanlagen sowie der Rettungswege mußten baulich umgesetzt werden. Doch Zeit blieb keine, die Flüchtlinge mußten anderweitig untergebracht werden. Auf den Mietkosten von 880.000 Euro für drei Jahre bleibt der Steuerzahler sitzen.

Doch das sind kleine Fische im Vergleich zu den Kosten, die in der bundesdeutschen „Flüchtlingszentrale“ entstanden sind. Besonders eklatant zeigte sich das Behördenversagen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Weil das Bamf über keine tragfähigen Strukturen und Prozeßabläufe verfügte, um den Zustrom zu bewältigen, heuerte es kurzerhand drei renommierte Unternehmensberatungen an. Die Aufträge wurden mehr als freihändig vergeben – ohne öffentliche Ausschreibung und Teilnahmewettbewerb. Der Flop kostete 11,5 Millionen Euro, gebracht hat es wenig: „Minister und Behördenleiter haben ihre Läden oft nicht im Griff. Viele Ämter und Abteilungen führen ein Eigenleben, und die Behördenspitzen oder die Fachaufsicht bekommen davon nichts mit“, heißt es im Schwarzbuch.

Daß insgesamt 51.000 Euro verschleudert wurden, um Asylbewerbern Taxifahrten zu bezahlen, fällt da kaum noch ins Gewicht. „Skandalöse Beispiele für Steuergeldverschwendung sind der Chaos-Flughafen Berlin Brandenburg oder die Landesbanken“, moniert der Bund der Steuerzahler. Aber auch Regionalflughäfen seien als „reine Prestigeobjekte“ mittlerweile „Subventionsfallen für den Steuerzahler“. Der Flughafen Hahn in Rheinland-Pfalz, für den die Landesregierung mittlerweile sogar einen windigen Käufer in China suchte, sei ein Musterbeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte (JF 28/16).

Prunkstück des 44. Schwarzbuchs ist erwartungsgemäß der Hauptstadtflughafen BER: Fehlplanung, mangelhafte Koordination und Korruption seien schuld daran, daß die Kosten für den Skandalbau am Standort Schönefeld von ursprünglich geplanten 2,4 Milliarden Euro auf die Rekordsumme von bislang rund 6,6 Milliarden gestiegen sind. „Der BER braucht einen knallharten Chefaufseher und zwar keinen Politiker“, heißt es über das schwarze Milliardenloch. Im Vergleich zum BER muten die übrigen aufgelisteten Fälle – Brücken ins Nichts, leuchtende Gullydeckel oder doppelte Radwege – wie verzeihliche Schönheitsfehler an.

„Das Schwarzbuch – Die öffentliche Verschwendung 2016/17“:  www.schwarzbuch.de