© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/16 / 14. Oktober 2016

Rückbesinnung auf Leitwerte
Politische Vernunft: Egon Flaig in der Bibliothek des Konservatismus
Albert G. Walter

Alfred Rosenberg als Blaupause für Charles Taylors Theorie der „Recognition“? Ernst Moritz Arndt, um die Kategorie der Rasse erweitert, als Vorbild für Emmanuel Levinas und Frantz Fanon? Über 90 Zuhörer erlebten am 6. Oktober in der Bibliothek des Konservatismus ungewöhnliche intellektuelle Argumentationsketten. Anlaß war die Vorstellung des im November erscheinenden Buches „Die Niederlage der politischen Vernunft – Wie wir die Errungenschaften der Aufklärung verspielen“ des Althistorikers Egon Flaig. 

Für den Autor ist es ein Gebot der Vernunft, daß menschenrechtliche Prinzipien universal sein sollen, doch sieht er diesen Universalismus heute in Gefahr – vor allem durch die Diskurse der Neuen Linken, die mit radikalem Kulturrelativismus, einer Entgrenzung der Verantwortlichkeit und faschistoidem Antikolonialismus Sonderrechte für Minderheiten reklamieren, historische Wahrheiten leugnen und letztlich das republikanische Verständnis von Staatlichkeit und die freiheitliche Kultur unterminieren.

Gesinnung als Maßstab des Handelns

Flaig versteht die politische Vernunft als das Vermögen, alle Menschen als gleich anzuerkennen, unter dem Imperativ, sich politisch zu einer Weltrepublik zu vereinen, aber in einem konfliktreichen historischen Prozeß. Dazu gehören wissenschaftliche Wahrheit, Geschichtlichkeit, kulturelles Gedächtnis, notwendige Feindschaften und das Politische als autonomer Raum kollektiver Entscheidungen. Die Bedingungen dafür sind, so Flaig, eine Öffentlichkeit im republikanischen Sinne sowie die Urteilskraft, gebunden an das Wissen um Geschichtlichkeit.

Aber eben diese politische Vernunft verliert heute gegen die antiuniversalistischen Theorien. Diese propagieren seit langem erfolg- und folgenreich kulturelle Sonderrechte und verfälschte Vergangenheiten. Dabei gerät die gute Gesinnung zum Maßstab des Handelns und die Entrüstung zum Mittel geistiger Auseinandersetzung. Die „Alternativlosigkeit“ der Politik wird zur permanenten Pflichtlüge. Die Folge sind die Zerstörung der Staatlichkeit, der Souveränität und der Verlust der Freiheit. Nur durch die Rückbesinnung auf kulturelle Leitwerte und die historischen Fundamente unserer freiheitlichen Kultur sieht Flaig eine Chance, die Errungenschaften der Aufklärung zu bewahren.