© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Rumoren in der Parteienlandschaft
Niederlande: Während neue Rechtsparteien Geert Wilders unter Druck setzen, sorgen die Regierungsparteien mit Zwei-Euro-Stimmen für Wirbel
Mina Buts

Nur zwei Euro kostet es, mitbestimmen zu dürfen, wer bei der nächsten Parlamentswahl Spitzenkandidat für die sozialdemokratische PvdA wird. Drei Kandidaten haben ihren Hut schon in den Ring geworfen, darunter der Fraktionsvorsitzende Diederik Samsom und Anfang dieser Woche auch noch der Arbeitsminister Lodewijk Asscher. Mit ihrem Zwei-Euro-Trick hoffen die Sozialdemokraten auf mehr mediale Aufmerksamkeit und damit auf weniger schlechte Umfrageergebnisse. 

Doch dieser Stimmenankauf ist nicht die einzige Überraschung vor den  Parlamentswahlen, die im März 2017 in den Niederlanden stattfinden. Schon Ende August meldeten sich die beiden Regierungsparteien, um sich bei ihren Wählern und ihren Parteien zu entschuldigen. Als erstes der amtierende Ministerpräsident Mark Rutte von der liberalen VVD, der für seine nicht eingelösten Versprechen Abbitte leistete – beispielsweise mehr Geld für arbeitende Niederländer oder ein Ende der Finanztransfers an Griechenland: „Laßt es mich ganz klar sagen: Ich entschuldige mich dafür.“ Was Geert Wilders von der islamkritischen PVV postwendend quittierte: „Nix Entschuldigung. Wählt Rutte ab!“

Es ist überdeutlich zu spüren, daß den Regierungsparteien die Meinungsumfragen im Nacken sitzen. Seit über einem Jahr wird prognostiziert, daß die PVV die stärkste Partei werden wird. Wilders’ Parteiprogramm ist überschaubar, eine DIN-A4-Seite reichte zur Niederschrift aus, und es geht dabei vor allem um eine „De-Islamisierung“ des Landes.

Doch auch neue Parteien rechts der PVV treten an. Interessant ist „Voor Nederland“ (VNL, „Für die Niederlande“), die 2014 durch zwei abtrünnige PVV-Abgeordnete entstanden ist. Sie versteht sich als „die Alternative für die Lücke auf der rechten Seite“ und wirbt in ihrem Parteiprogramm für höhere Verteidigungsausgaben und weniger Einwanderung. Die EU und das Europäische Parlament sollen abgeschafft werden und durch andere Formen der Zusammenarbeit ersetzt werden. Da die Partei bereits im Januar über tausend Mitglieder hatte, steht ihr von Staats wegen eine Viertelmillion Euro als Startkapital zur Verfügung. 

Als Spitzenkandidaten konnte VNL Jan Roos präsentieren, ausgerechnet jenen Mann, der nach dem erfolgreichen Bürgerreferendum vom April überall gefeiert wird. Er hatte über Monate erfolgreich für die politisch-inkorrekte Webseite „Geenstijl“ Unterschriften, Geld und Unterstützer gesammelt, anschließend das Referendum gegen den Assozierungsvertrag der EU mit der Ukraine mit weit über 60 Prozent der Stimmen gewonnen (JF 16/16). 

Das Bürgerreferendum, das nicht bindend war, treibt die Niederländer noch immer um. In dieser Woche hat die linksliberale D66 in einem Antrag, der mit überwältigender Mehrheit –  übrigens auch den Stimmen der VVD – vom niederländischen Parlament angenommen wurde, durchgesetzt, daß Ministerpräsident Rutte sein Schweigen brechen und bis zum 1. November die Folgen des Bürger-entscheids erklären muß. Auch Roos rieb Rutte noch einmal unter die Nase: „Spiel mit offenen Karten!“ und fragte, ob dieser nur eine Marionette Brüssels oder doch der Ministerpräsident der Niederlande sei: „Schon seit Jahren mokiert er sich in Den Haag über die EU, aber  macht dann doch jedes Kreuzchen in Brüssel.“

Für Überraschung sorgte die Ankündigung von Thierry Baudet, dem zweiten Initiator des Referendums, ebenfalls mit seinem „Forum für Demokratie“ bei den Wahlen anzutreten. Auch Roos zeigte sich darüber verwundert: „Er hat mir immer gesagt, er wolle nicht in die Politik.“ Die Forderungen der beiden Parteien wären fast deckungsgleich; Baudet, so beklagt Roos, habe bislang auch keinerlei Kontakt mit ihm gesucht.Doch Baudet geht in die Offensive: „Alle vier Jahre dürfen wir zur Wahlurne, und dann stehen wir wieder im Abseits.“

 Zwar stehen das Wahlprogramm und die Kandidaten noch nicht fest, doch schon jetzt sorgt Baudet für Polarisierung. Die Urteile über ihn reichen von „arroganter Opportunist“ zu „angry young man“, etliche trauen ihm eine „Führungsrolle“ zu. Bei der momentanen Stimmung wird Baudet ebenfalls auf einen Sitz im Parlament rechnen können.