© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/16 / 21. Oktober 2016

Zeitschriftenkritik: Tichys Einblick
Das Magazin zum Blog
Thorsten Thaler

Es ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang: „Andere Verlage verstehen Internet als Vertriebskanal, wir bringen Internet ins Print“, sagte Roland Tichy dem Branchendienst Kress. Der ehemalige Chefredakteur unter anderem der Wirtschaftswoche betreibt das liberal-konservative Online-Portal „Tichys Einblick“ und bringt nun ein gleichnamiges Monatsmagazin heraus. Die Erstausgabe startete vorige Woche im Handel nach Verlagsangaben mit einer Druckauflage von 60.000 Stück. Das Heft umfaßt 98 Seiten und enthält ganz überwiegend Beiträge von seinem Blog; Tichy firmiert deswegen in der Medienbranche schon als „bekennender Internet-Ausdrucker“. 

Thematisch sortiert ist sein Magazin in die Sparten Politik, Wirtschaft und Kultur; die Rubrik „Titel“ bündelt in der ersten Nummer Texte zur Regierungspolitik Angela Merkels. In seinem Editorial schreibt Tichy: „Je länger ein/e Kanzler/in regiert, um so mehr mutiert die von Grundgesetz schwach ausgestattete Rolle des Kanzlers ins dominierende Präsidenten-Fach. Macht verschafft Mittel zum Machterhalt.“ Mit Blick auf die Massenzuwanderung hält er in seinem Titelbeitrag „Das verwirrte Land“ fest: „Der Rechtsstaat gilt nur noch für Einheimische, für Zuwanderer gelten Sonderrechte (…). Regierung, Opposition und viele Medien verwandelten ein Land zum Narrenschiff. Statt die Regierung zu kontrollieren, applaudierte die Opposition. (…) Innerhalb eines Jahres ist Deutschland ein fremdes Land geworden für die, die hier schon vorher lebten.“

Während der Kolumnist Alexander Wallasch auf die „gewaltigen Löcher“ hinweist, die Merkels Flüchtlingspolitik ins soziale Netz reißen und damit Konflikte schüren werde, fordert die Publizistin Bettina Röhl CDU-Politiker dazu auf, aus dem „System Merkel“ herauszutreten und für die Bundestagswahl 2017 einen anderen Kanzlerkandidaten auf den Schild zu heben. Naiv schreibt sie: „Die CDU muß einen Kanzler finden, der es schafft, Merkel und ihre Politik zu entlarven und die Republik auf einen nachhaltigen Korrekturkurs zu bringen.“ Vergleichsweise zufrieden mit Merkels Politik zeigt sich dagegen Hugo Müller-Vogg. Unter Rot-Grün wäre „alles noch viel schlimmer“ gekommen, meint der frühere FAZ-Mitherausgeber. Der Fernsehjournalist Wolfgang Herles wiederum bekennt seine Ängste: „Nicht vor dem Islam und nicht vor den Rechten, nicht vor Putin und nicht vor Le Pen. Sondern vor der ewigen Frau Merkel, die mit den Gefühlen der Bürger jongliert. Die Ängste schürt, indem sie selbst Risiken schafft.“

Wie gesagt, das alles konnten Interessierte bereits in Tichys Blog lesen. Selbst das für die Druckausgabe geführte Interview mit dem Opel-Chef Karl-Thomas Neumann während der Fahrt mit einem E-Auto ist als Video online gestellt worden – einen Tag vor dem Verkaufsstart des Magazins. Trotzdem soll der „konservative Fanartikel“ (Tichy) bereits eine vierstellige Zahl an Abonnenten haben.

Kontakt: Finanzen Verlag GmbH, Bayerstraße 71-73, 80335 München, Tel.: 089 / 272 64-0. Der Einzelpreis beträgt 8 Euro, das Jahresabo kostet 84 Euro. 

 www.tichyseinblick.de