© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/16 / 28. Oktober 2016

Der EZB-Nullzins und die EU-Wohnimmobilienkredit-Richtlinie
Deutschland ist nicht Spanien
Dirk Meyer

Die Geldpolitik der EZB macht es möglich: Die Zinsen für Hypothekenkredite liegen bei unter einem Prozent. Zugleich nehmen die Immobilienpreise weiter Fahrt auf – Zeichen einer Vermögenspreisinflation und einer beginnenden Blase am Markt? Die Nachfrage nach Hypothekenkrediten boomt, doch nicht jeder bekommt sie. Der Grund: Seit März ist die EU-Richtlinie für Wohnimmobilienkredite in deutsches Recht übertragen (JF 42/16).

Waren bislang der Wert der Immobilie, der Eigenkapitalanteil und das aktuelle Einkommen wesentlich, steht jetzt die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers im Blickpunkt. Nicht die vom Kreditnehmer losgelöste Grundschuld mit der Möglichkeit der Zwangsvollstreckung, sondern die Wahrscheinlichkeit, daß der Schuldner „seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird“, muß sichergestellt sein (Paragraph 18a Kreditwesengesetz). Die Folge: Ältere Menschen, die die Tilgung nicht zu Lebzeiten schaffen werden, junge Familien mit schwieriger Prognose ihrer Einkommensentwicklung, Kinderzahl und Berufstätigkeit des Partners sowie Selbständige, die am Anfang ihrer Firmengründung stehen, bekommen nur schwer einen Immobilienkredit.

Man könnte annehmen, der EU-Vorstoß sei als Verbraucherschutz gut gemeint, soll er doch Kreditnehmer vor eigener Fehleinschätzung schützen. Vornehmlich beugt er jedoch Kollateralschäden der EZB-Nullzinspolitik vor. So dürfte ein Zinsanstieg bei zeitgleichem Rückgang der Immobilienpreise viele Kreditnehmer bei Anschlußkrediten vor Probleme stellen. Ob die Richtlinie eine Immobilienblase und deren Folgen verhindern kann, ist fraglich. Fazit eins: Ein marktwidriger Staatseingriff (EZB-Nullzins) macht Folgeinterventionen (EU-Richtlinie) notwendig.

Als Pate für die Richtlinie steht die Immobilienkrise in Spanien. Die Ursachen hierfür lagen vornehmlich in einer unverantwortlichen Kreditvergabe begründet. Beleihungen über 100 Prozent des Immobilienwertes und ein variabler Zins sind der Todesstoß in Krisenzeiten. Demgegenüber sind in Deutschland Zinsbindungen über fünf und zehn Jahre die Regel. Zudem ist die Beleihungsgrenze restriktiv (60 Prozent laut Pfandbriefgesetz; 80 Prozent nach Bausparkassengesetz). Fazit zwei: Deutschland ist nicht Spanien.

Aktuell soll das Gesetz über eine Bundesrats-initiative nachgebessert werden: (a) Anschlußfinanzierungen sowie (b) Kredite für altengerechte Umbauten nach alten Regeln und (c) Zulässigkeit von Immobilienverzehrkrediten im Alter, bei denen die Bank im Todesfall die Immobilie verwerten darf. (d) Generell wird über Auslegungsvorschriften zugunsten einer „erhöhten Wahrscheinlichkeit“ der Kreditbedienung nachgedacht.







Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.