© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/16 / 28. Oktober 2016

Aus dem Familienalbum
Ausstellung: Bilder von Rembrandt im Pariser Museum Jacquemart-André
Doris Blum

Sie ist klein, aber erlesen: die Ausstellung mit dem Titel „Rembrandt intim“ im Pariser Musée Jacquemart-André. Um drei große Tafelbilder herum, die dem Kunstforum am Boulevard Haussmann selbst gehören, gruppieren sich hochkarätige internationale Leihgaben: zwanzig Gemälde und dreißig Arbeiten auf Papier. Vor jedem einzelnen Bild möchte man lange verweilen. Um so mehr als die Schau sich fast wie ein Familienalbum liest.

Rembrandt Harmensoon van Rijn (1606–1669), den schon in seinen jungen Jahren recht erfolgreichen Künstler aus Leyden, zieht es 1631 in die glanzvolle Metropole Amsterdam, wo er bei dem Kunsthändler Hendrick Uylenburgh nicht nur Arbeit findet, sondern auch seine künftige Frau Saskia, die Cousine seines Chefs kennenlernt, die er 1634 heiratet. Rasch macht er in Amsterdam Karriere als Maler, wird mit Auftragsarbeiten – vornehmlich Einzel- und Gruppenporträts – überhäuft und dafür auch üppig honoriert. 

Rembrandt liebt den Luxus, und er führt einen aufwendigen Lebensstil. Für ein prachtvolles Haus in der Jodenbreestraat, das er 1639 bezieht und das heute Museum ist, nimmt er einen hohen Kredit auf. Er beginnt teure Kunst zu sammeln und erweitert seine Kollektion permanent. Doch um die Mitte der fünfziger Jahre reißt seine Glückssträhne ab, die Aufträge bleiben aus, Kollegen und Schüler machen ihm Konkurrenz, er gerät an den Rand des Ruins. 1656 kommen sein Haus und sein kompletter Besitz unter den Hammer. 

Aber nicht nur materiell läuft alles schief. Auch privat trifft den Künstler ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Er verliert die Eltern. 1642, kurz nach der Geburt ihres Sohnes Titus, stirbt Saskia, sie ist erst 30 Jahre alt. Rembrandt findet noch einmal die große Liebe: Hendrickje Stoffels, mit der er ab 1647 in einer von der Reformierten Kirche geächteten wilden Ehe zusammenlebt. Doch 1663, mit 37 Jahren, stirbt ihm auch diese Gefährtin. Und Titus wird anno 1668 von der in Amsterdam wütenden Pest hinweggerafft. Verarmt und allein folgt Rembrandt dem Sohn ein Jahr später nach.

Die Licht- und Schattenseiten des Lebens und die Menschen, die ihm nah waren, hat der geniale Meister in magischem Hell-Dunkel ganz anrührend und ausdrucksstark auf Leinwand gebannt und immer wieder in einem kalligraphischen Lineament zeichnerisch festgehalten. In den verwinkelten, in schummeriges Licht getauchten Räumen der einstigen Stadtwohnung von Nélie Jacquemart und Edouard André kommt das Rembrandtsche Familientreffen großartig zur Geltung.

Die Schau zeichnet chronologisch alle wichtigen Schaffensperioden nach.  Der Künstler zeigt seine Frau Saskia als blumenbekränzte Flora, Göttin der Jugend, der Schönheit, der Lebensfreude. Das Bild ist aus Sankt Petersburg angereist. Aus der Londoner National Gallery kommt das meisterliche Konterfei der Hendrickje. Wie eine Königin, im weißen Hermelin, unnahbar und doch ungemein erotisch malt der Künstler die Geliebte. Ein stolzer und zärtlicher Vater tritt uns aus den Bildern von Titus entgegen, der sich meist in seine Lektüre vertieft und völlig in sich ruht.

Genreszenen mit der Heiligen Familie ergänzen den Parcours. Und immer wieder begegnen wir auch Rembrandt selbst. Nur wenige Künstler haben sich im eigenen Bildnis so gründlich selbst befragt und in allen Lebensphasen Zeugnis von sich abgelegt. Da sehen wir ihn zunächst als einen selbstbewußten jungen Wilden, dann als den reichen Zeitgenossen seines goldenen Zeitalters und schließlich als den vom Leben gezeichneten Menschen. Gut 80 dieser Bildnisse sind uns überliefert. Das letzte entstand kurz vor seinem Tod und zeigt einen alten Mann: verletzlich, schonungslos, düster.

Liebe und Tod sind die Pole dieser furiosen Pariser Schau, in der man Rembrandt so nah kommt, wie in nur wenigen Ausstellungen zuvor.

Die Ausstellung „Rembrandt intime“ ist bis zum 23. Januar 2017 im Pariser Museum Jacquemart-André, 158 Boulevard Haussmann, täglich von 10 bis 18 Uhr, montags bis 20.30 Uhr, zu sehen. Der Katalog kostet 32 Euro

 www.musee-jacquemart-andre.com