© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/16 / 28. Oktober 2016

Knapp daneben
Inkonsequente Justiz
Karl Heinzen

Zum Ethos eines Beamten gehört es, sich Aufgaben zu widmen, deren Wert unklar ist und schon gar nicht durch Preise ausgedrückt werden kann. Wer geschäftstüchtig auftritt, macht sich verdächtig. Man kann davon ausgehen, daß er im Öffentlichen Dienst fehl am Platz ist. Diese Vorstellung leitete wahrscheinlich das Verwaltungsgericht München, das einen ehemaligen Professor für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Ingolstadt aus dem Beamtenverhältnis entfernte. Zum Verhängnis wurde dem Dozenten, daß er in seinem Bemühen, die trockene Theorie des Lehrbetriebes mit der Praxis des Wirtschaftslebens zu verknüpfen, allzu innovativ war. Über einen längeren Zeitraum hatte es der Experte für Whirlpools verstanden, amerikanische Hersteller dafür zu gewinnen, ihm Mustersysteme für Forschungszwecke zu überlassen. Einige der Anlagen baute er unter tatkräftiger Hilfe von Studenten in sein Wohnhaus ein. Andere – der Platz auf seinem Privatgrundstück war eben nicht unerschöpflich – soll er weiterveräußert haben.

Der Lohn für Inspirationen von Studenten ist zumeist nur eine flaue und versteckte Danksagung im Buch.

Die Studenten gingen ihm mit insgesamt etwa 1.000 Arbeitsstunden aber nicht nur praktisch zur Hand. Sie erstellten auch wissenschaftliche Studien, die sich beispielsweise der Energieeffi­zienz der Whirlpools widmeten. Der Forschungseifer war offenbar so groß, daß die Arbeiten meist mit Höchstnoten bewertet wurden. Zudem nutzte der Professor sie auch für sein Privatinstitut, das den US-Herstellern Expertenurteile bereitstellte, die sich in der Vermarktung der Whirlpools gut gebrauchen ließen.

Eine gewisse Verquickung von dienstlichen Aufgaben und privaten Interessen ist nicht von der Hand zu weisen. Sie ist im Unibetrieb aber gang und gäbe. Nahezu alle großen Werke prominenter Wissenschaftler sind nur möglich, weil Assistenten und Studenten Inspirationen geben, Recherchen betreiben oder gar ganze Textpassagen verfassen. Der Lohn ist zumeist nur eine flaue und gut versteckte Danksagung im Buch. Eine Justiz, die vor diesem Unrecht die Augen verschließt, kann keinen Beifall für ihr scharfes Vorgehen gegen einen Whirlpool-Professor mit Geschäftssinn erwarten.