© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/16 / 04. November 2016

Ländersache
Zusammen, aber nicht gemeinsam
Peter Möller

Vor dem Potsdamer Stadtschloß steht eine junge Linde. Sie wurde nach dem Wiederaufbau des Schlosses, in dem nun der Brandenburgische Landtag residiert, an der Stelle gepflanzt, an der bis 1947 die sogenannte Bittschriftenlinde stand. Der Legende nach hefteten die Untertanen Friedrichs des Großen ihre Eingaben an den König an diesen Baum. 

Diesen symbolischen Ort hatte sich die Brandenburger CDU am Dienstag ausgesucht, um die von ihr initiierte Volksinitiative gegen die Kreisgebietsreform der rot-roten Landesregierung zu starten. Kein politisches Vorhaben sorgt derzeit für soviel kontroverse Diskussionen in dem Bundesland wie die geplante Reduzierung der Verwaltungseinheiten von 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städte auf neun Kreise und der Landeshauptstadt Potsdam als einzige selbständige Stadt.

 Mit der Neugliederung Brandenburgs wollen SPD und Linkspartei das Bundesland angesichts des erwarteten Bevölkerungsrückgangs in den nächsten Jahrzehnten „zukunftsfest“ machen. Dazu soll die Verwaltung gestrafft und damit langfristig finanzierbar bleiben. Gerade der letzte Punkt wird aber von vielen Experten bezweifelt. Gebietsreformen, so zeigt die Auswertung ähnlicher Projekte in anderen Ländern, bringen kaum Einsparungen. 

Laut einer Studie des Ifo-Instituts Dresden ist zudem kein Zusammenhang zwischen der Größe der Kommunen und der Effizienz der Verwaltung nachweisbar. Die Kosten einer Verwaltungsreform sind indes beträchtlich: Mit finanziellen Versprechungen versucht die Potsdamer Landesregierung den Widerstand der Landkreise und kreisfreien Städte zu brechen. Bis zu 615 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. 

 Im Landtag haben sich CDU, AfD und die drei Abgeordneten der Freien Wähler gegen die Kreisreform ausgesprochen. Sie dürften einen Großteil der Bevölkerung hinter sich haben. Die Zusammenlegung von Landkreisen ist von je her ein unpopuläres Vorhaben. Auch in Thüringen sorgt die seit Jahren diskutierte Neugliederung für viel Unmut. In Mecklenburg-Vorpommern wurde die 2011 umgesetzte Reform sogar für das starke Abschneiden der AfD bei der Wahl im September verantwortlich gemacht. 

Die Bürger stören sich dabei nicht in erster Linie an finanziellen Risiken. Sie fürchten häufig einen Verlust an Heimat sowie lange Wege bei Behördengängen, wenn durch die Vergrößerung der Landkreise auch die Distanz zu den Verwaltungszentren wächst.

 Doch trotz des deutlichen Unmuts unter den Brandenburgern tritt die Opposition nicht geschlossen auf. Die Union, die in den Umfragen hinter die AfD zurückgefallen ist, hat sich neben den Freien Wählern die FDP ins Boot geholt, die seit 2014 nicht mehr im Landtag vertreten ist und in der Landespolitik keine Rolle spielt. 

Gemeinsam wurde ein Verein gegründet, der nun die für die Volksinitiative nötigen 20.000 Unterschriften sammeln soll, um die Kreisgebietsreform noch zu verhindern. Die ausgebootete AfD kündigte unterdessen an, auf eigene Faust ebenfalls Unterschriften zu sammeln – diese werden CDU, FDP und Freie Wähler kaum ablehnen können.