© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/16 / 04. November 2016

Berlin macht die Schotten dicht
Schwarzgeld: Nach dem reformierten Zollverwaltungsgesetz ist mit mehr Kontrollen an den EU-Binnengrenzen zu rechnen / Ziel sind die eigenen Bürger
Paul Rosen

Man könne nicht „die 3.000 Kilometer lange deutsche Grenze schließen“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einem Jahr erklärt. Aber wenn es um Geld geht, das Bundesbürger über die deutschen Grenzen bringen wollen, dann wird der Binnenmarkt ohne Kontrollen von Lappland bis Sizilien zur hohlen Phrase. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant, Zollbeamte an allen deutschen Grenzübergängen – und nicht nur an der EU-Außengrenze – zu Inspektionen der Geldbörsen von Reisenden einzusetzen. 

Bisher sind solche Kontrollen in Deutschland nur an Flughäfen (Flüge über EU-Außengrenzen) und an der Grenze zur nicht der EU angehörenden Schweiz möglich und werden auch regelmäßig durchgeführt. Wer mehr als 10.000 Euro aus der Schweiz nach Deutschland bringen will, muß die Summe deklarieren und auf Nachfragen der Zollbeamten den rechtmäßigen Erwerb nachweisen.   

Nachdem die Schweiz aufgrund des Verkaufs gestohlener Daten durch Bankmitarbeiter an den deutschen Staat sowie aufgrund von Gesetzesänderungen den Ruf als sicherer Hafen verloren hat, bringen viele Anleger Geld zurück nach Deutschland. Folge: Wurden 2012 gerade einmal 9,3 Millionen Euro an der Schweizer Grenze bei Reisenden sichergestellt, so stieg der Wert schon ein Jahr später auf 573 Millionen Euro. 

Offenbar ahnt der Finanzminister, daß auch an anderen Grenzübergängen etwas zu holen sein könnte, und hat deshalb den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollverwaltungsgesetzes“ vom Kabinett beschließen lassen. Unter der Bundestagsdrucksachennummer 18/9987 macht sich Schäuble ans Werk, die freie Fahrt für freie Bürger einzuschränken. Künftig kann zum Beispiel an der Grenze zu den Niederlanden oder zu Dänemark jederzeit die Kelle der Zollbeamten hochgehen und die Kontrolle beginnen. Wer meint, wertvolle Güter mit der Post verschicken zu können, wird erleben, daß der Zoll die Pakete  öffnen wird – selbst innerhalb der EU. 

Der Zoll darf Auskünfte    bei Banken einholen

Auch Bargeld über die Grenze zu schaffen, ist in der Bundesrepublik schon vom Grunde her verdächtig. Der Verdacht heißt offiziell Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. „Durch grenzüberschreitenden Transport und Versand von Bargeld können durch Straftaten bemakelte Vermögenswerte besonders wirksam dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen werden“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Und von dieser Möglichkeit werde „in erheblichem Umfang Gebrauch“ gemacht. 

Dieser Eingriff in die Privatsphäre wird beileibe nicht nur Drogengeldkuriere oder Handwerker mit Schwarzgeld treffen. Beispiele sollen dies deutlich machen: Ein Deutscher, der einen Aufenthalt in Wien nutzt, um bei der Österreichischen Münze zehn Unzenstücke „Wiener Philharmoniker“ zu kaufen, wird bei der Rückfahrt über Kufstein vom deutschen Zoll angehalten und durchsucht. Die Goldmünzen werden gefunden. Zur Herkunft des Geldes kann der Reisende keine Angaben machen. Folglich werden die Münzen beschlagnahmt. 

Wer sich zum Beispiel Goldmünzen aus Österreich mit der Post schicken läßt, durfte sich bisher sicher vor dem Zoll fühlen. Künftig können auch Sendungen aus der EU durchsucht werden, da „der Postverkehr zunehmend zu kriminellen Zwecken mißbraucht“ wird. 

Der häufigste Fall ist die Mitnahme von Bargeld: Die über Kufstein oder das niederländische Enschede kommenden Reisenden müssen  „Barmittel und gleichgestellte Zahlungsmittel im Gesamtwert von 10.000 Euro oder mehr, die sie in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringen, nach Art, Zahl und Wert mündlich anzeigen sowie die Herkunft, den wirtschaftlich Berechtigten und den Verwendungszweck dieser Barmittel und gleichgestellter Zahlungsmittel darlegen“, so die neue Vorschrift. Der Zoll kann Belege verlangen und diese Belege an Strafbehörden und Finanzämter weitergeben. Der Zoll bekommt sogar das Recht, selbst Auskünfte bei Banken einzuholen. 

Nach der faktischen Abschaffung des Bankgeheimnisses ist die Änderung des Zollverwaltungsgesetzes ein weiterer Schritt, die Privatsphäre und das Recht der beliebigen Verfügbarkeit über privates Eigentum abzuschaffen. Am Ende steht der „gläserne Bürger“, der dann aber kein Bürger mehr ist, sondern Untertan.