© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/16 / 04. November 2016

Zeitschriftenkritik: Karfunkel
Auf der Suche nach dem Licht
Werner Olles

War das Mittelalter tatsächlich so „finster“, wie oft behauptet wird? Was Wissenschaften und Künste betrifft, ganz sicher nicht; vor allem die Menschen des Hochmittelalters suchten mit aller Akribie nach neuen Erkenntniswegen. Einen Mangel an Wissensneugier und Forschungsdrang kann man ihnen also nicht vorwerfen. Lange Zeit schlecht bestellt war es jedoch um das Licht und seine künstliche Erzeugung. Doch gehört das Licht neben Nahrung, Wärme und Schlaf zu den Grundbedürfnissen des Menschen, und seine künstliche Erzeugung kann daher mit Fug und Recht als herausragende kulturelle Leistung angesehen werden, vergleichbar mit der Erfindung des Rades oder der Schrift.

Karfunkel, die zweimonatlich erscheinende „Zeitschrift für erlebbare Geschichte“, beschäftigt sich in ihrer aktuellen Ausgabe (Nr. 126, Oktober/November 2016) als Schwerpunktthema mit der „Geschichte der künstlichen Beleuchtung“. Anschaulich beschreibt Jan H. Sachers, mit welch erheblichen Schwierigkeiten und auch finanziellem Aufwand für große Teile der Bevölkerung die Versorgung mit angemessener, dauerhafter und sicherer Beleuchtung verbunden war. So waren Fenster in den Bauern- und Bürgerhäusern, den Klöstern und Burgen des Mittelalters keine Selbstverständlichkeit, und waren sie vorhanden, so handelte es sich in der Regel um wenige kleine Öffnungen in den Wänden. Durch diese drangen jedoch nicht nur Helligkeit, sondern auch Wind und Wetter ins Innere; zudem konnte durch die Löcher in der kalten Jahreszeit die kostbare Wärme entweichen. Und die hölzernen Fensterläden, die zum Schutz vor Witterung und Kälte vor die Öffnung geschwenkt oder geschoben wurden, sperrten nicht allein Regen, Schnee und Wind aus, sondern auch das Licht.

Erst die flächendeckende Versorgung mit Glasfenstern, die jedoch nur sehr aufwendig herzustellen und extrem teuer waren, und später mit Gas und Elektrizität konnte diesem Mangel abhelfen. Dennoch bleiben Glasfenster lange Zeit den Kirchen vorbehalten, hauptsächlich den gotischen Kathedralen, die seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit Reihen hoher, schlanker und kunstvoll bemalter Fenster ausgestattet wurden. Die Wirkung, die dieses Licht- und Farbenspiel in den weiten Kirchenschiffen auf Menschen ausübte, die niedrige, enge und dunkle Räume gewohnt waren, ist für uns kaum nachvollziehbar.

Barbara Stühlmeyer befaßt sich in ihrem Beitrag „500 Jahre Utopia“ mit Thomas Morus, Mitglied des Londoner Parlaments und Dozent für Jura, der 1516 sein Buch „Utopia“ veröffentlichte, in dem er gegen Mißwirtschaft und Korruption Stellung nahm und das gesellschaftliche Unbehagen seiner Zeit artikulierte. Weitere Texte befassen sich mit dem vor 1.700 Jahren geborenen Martin von Tours, besser bekannt als Sankt Martin, dem zum Weltkulturerbe erklärten hessischen Kloster Lorsch mit seiner beeindruckenden karolingischen Halle und dem Europäischen Hansemuseum in Lübeck.


Kontakt: Karfunkel-Verlag, Marienhöhe 1, 74706 Osterburken. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, ein Jahresabo 33 Euro. 

 www.karfunkel.de